Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat offiziell das Jahr der Schiris eröffnet. Die Initiative soll in Zusammenarbeit mit den Landesverbänden den Fokus auf eine der größten Herausforderungen im deutschen Fußball lenken. Los geht es mit einer besonderen Aktion: Am nächsten Samstag, 25. März, schlüpfen die beiden Bundesliga-Profis Nils Petersen (SC Freiburg) und Anton Stach (FSV Mainz 05) in eine neue Rolle und leiten als Referees das Spiel der Bezirksliga Rheinhessen zwischen dem VfR Nierstein und TSV Mommenheim.
Petersen und Stach, die jeweils eine Halbzeit pfeifen sollen, werden bei ihrem Perspektivwechsel von zwei Schiri-Assistent*innen aus dem Amateurbereich unterstützt. Bundesliga-Schiedsrichter Deniz Aytekin wird als Beobachter vor Ort sein. Die Aktion läutet eine Phase ein, die bis Jahresende mit verschiedenen kleineren und größeren Maßnahmen, vor allem mit Hilfe der Bezirke, Kreise und lokalen Schiri-Gruppen das Thema Schiedsrichter*innen öffentlich in den Mittelpunkt rücken und Verbesserungen einleiten soll.
Die Zahl der Schiedsrichter*innen in Deutschland ist seit Jahren rückläufig. Den Amateurfußball stellt das zunehmend vor Probleme. Diesem Trend wollen der DFB und seine Landesverbände nun wahrnehmbarer und wirkungsvoller entgegenwirken.
Das Jahr der Schiris steht unter dem Leitsatz: „Liebe den Sport. Leite das Spiel.“
Ronny Zimmermann, 1. DFB-Vizepräsident Amateure und zuständig für die Schiedsrichter*innen, erklärt: „Ziel ist es, einen Diskurs anzustoßen, stärker zu sensibilisieren und in allen Bereichen ein höheres Verantwortungsbewusstsein für das Thema zu schaffen. Vor allem die Vereine müssen endlich erkennen, dass sie sich um die Schiris kümmern müssen und dies nicht allein Sache der Verbände ist. Wir sind nicht blauäugig. Wir werden die Welt nicht in wenigen Monaten komplett verändern können bei einer Problemstellung, die schon länger besteht. Aber es soll ein erster wichtiger Schritt sein, die Schiris enger in die Fußballfamilie zu integrieren und auch in der gelebten Praxis als das zu begreifen, was sie sind: integraler Bestandteil des Spiels, unverzichtbarer Partner für Spieler*innen und Trainer*innen, wichtige Mitglieder der Vereine. Der Ansatz ist dabei konsequent konstruktiv. Es soll nicht mehr heißen: Warum tust Du Dir das an? Sondern: Darum ist es cool, Schiri zu sein.“
Umfrage-Ergebnisse unterstreichen positive Eigenschaften der Schiedsrichterei
Eine aktuelle Umfrage im Amateurfußball-Barometer unterstreicht die vielen positiven Seiten der Schiedsrichterei. 84 Prozent der Unparteiischen, die an der Umfrage teilgenommen haben, nennen den Spaß an ihrer Tätigkeit als größte Motivation, 79 Prozent die sportliche Betätigung. 75 Prozent schätzen es besonders, aktiver Teil des Fußballs zu sein.
Hinzu kommen die Mehrwerte für die Persönlichkeitsentwicklung. Gefördert werden aus Sicht der betroffenen Zielgruppe vor allem die Entscheidungskompetenz, der Umgang mit Menschen und das Selbstvertrauen.
Die allgemeine Wahrnehmung rund um Schiedsrichter*innen ist allerdings häufig von negativen Aspekten geprägt. In der Umfrage werten 85 Prozent der aktiven Schiris den mangelnden Respekt von Zuschauer*innen als Problem, 79 Prozent vermissen ebenso bei Spieler*innen und Trainer*innen Respekt und Wertschätzung. Auch von den Personen, die nicht als Schiedsrichter*innen tätig sind, gaben im Rahmen der Umfrage rund 80 Prozent an, dass sie bereits negative Erfahrungen mit respektlosem Verhalten gegenüber Referees gemacht haben. Insgesamt nahmen an der Umfrage fast 8.000 Personen teil, knapp 39 Prozent davon aktive Schiedsrichter*innen.
„Alle müssen stärker aufeinander zugehen im Sinne unseres Sports“
„Wir müssen den Umgang miteinander im Fußball gemeinsam beleuchten und benötigen einen stärkeren Schulterschluss aller Beteiligten, um die Schiedsrichter*innen nachhaltig zu stärken und eine Trendwende einzuleiten. Hierzu gehören Offizielle, Trainer*innen, Spieler*innen, aber auch die Schiris selbst. Es geht nicht darum, mit dem Finger aufeinander zu zeigen. Gegenseitiges Verständnis ist der Schlüssel – auch in der Frage, wie man Gewaltvorfällen entgegenwirkt. Alle müssen sich stärker füreinander öffnen und aufeinander zugehen, im Sinne unseres Sports“, sagt Ronny Zimmermann. Auf dieser Grundlage sollen in den kommenden Jahren verstärkt Neulinge gewonnen und die Bindung der aktuell mehr als 50.000 aktiven Schiedsrichter*innen gestärkt werden.
Derzeit verliert der deutsche Fußball zu schnell zu viele neu ausgebildete Unparteiische. Die Drop-out-Quote zu verringern ist eine der größten Herausforderungen. Helfen soll dabei das Pat*innensystem, eine Maßnahme aus dem Masterplan Amateurfußball 2024. Hierbei werden Neulinge an der Basis in ihren ersten Spielen von Mentor*innen begleitet. Bei der Gewinnung neuer Schiedsrichter*innen soll unter anderem die Schiri-Toolbox Kreisen und Vereinen helfen, zielgerichtete Werbung zu betreiben.
Stimmen zum Jahr der Schiris:
Deniz Aytekin (DFB-Schiedsrichter des Jahres): „Um für den gegenseitigen Respekt, das Verständnis füreinander und die Wertschätzung der Schiedsrichter*innen innerhalb der gesamten Fußballfamilie zu sensibilisieren, engagieren wir uns als Team Elite-Schiedsrichter*innen der DFB Schiri GmbH sehr gerne. Ein besseres Miteinander und Wir-Gefühl kann nur etabliert und gelebt werden, wenn die gesamte Fußballfamilie mit vereinten Kräften daran arbeitet.“
Nils Petersen (SC Freiburg): „Ich finde es extrem spannend, eine andere Perspektive einzunehmen und einen neuen Blick aufs Spiel zu bekommen. Als Spieler nörgelt man gerne mal über eine Entscheidung des Schiedsrichters, aber man versetzt sich so gut wie nie in seine Lage. Das will ich im Rahmen dieser coolen Aktion ändern. Schön, dass wir in der Bezirksliga ran dürfen. Die Arbeit im Amateurbereich ist die Basis für alles. Ich freue mich auf die Jungs aus Nierstein und Mommenheim – und darauf, diese Erfahrung als Schiri zu machen. Ich hoffe, damit helfen zu können, einen Anstoß zu geben, dass wir alle im Fußball uns intensiver dem Thema Schiris widmen.
Anton Stach (FSV Mainz 05): „Das Spiel eine Halbzeit lang aus der Rolle des Schiedsrichters zu erleben und selbst zu erfahren, welche Verantwortung man als Referee hat, wie genau man hinschauen und wie schnell man Entscheidungen fällen muss, wird sehr interessant. Bei der Beurteilung von Situationen können wir zudem neben dem Regelwerk auch das Wissen als Spieler nutzen, wie Dinge in der Praxis auf dem Platz laufen. Ich freue mich auf den Rollentausch. Ich hoffe, dass wir mit dieser Aktion nicht nur für mehr Verständnis füreinander sorgen, sondern auch dazu beitragen können, dass mehr junge Leute Lust haben, die Pfeife in die Hand zu nehmen und Schiedsrichterin oder Schiedsrichter zu werden.“
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