„Müssen unsere Arbeit fortführen!“

Anlässlich der schwul-lesbischen Fußball-EM luden der Hamburger Fußball-Verband (HFV) und LOTTO Hamburg am 12. Juni 2015 zur elften Auflage des ODDSET-Talks. Thema des Abends: Fußball im Wandel – Wieviel Vielfalt lebt er wirklich? Oder gibt es sie nicht doch, die häufig behauptete Schwulenfeindlichkeit?

In der einmaligen Atmosphäre der OPUS-Lounge, der Bar im Hotel Le Meridien, begrüßten die Moderatoren Dieter Matz (Sportredakteur beim Hamburger Abendblatt) und Carsten Byernetzki (Pressesprecher HFV) illustre Talk-Gäste: Thomas Hitzlsperger (52-maliger Nationalspieler und Vize-Europameister), Patrick Ittrich (DFB-Schiedsrichter), Prof. Dr. Martin Schweer (wissenschaftlicher Leiter der Initiative „Fußball für Vielfalt“) und Holger Hieronymus (Ex HSV-Profi und ehemaliger DFL-Geschäftsführer).

Es ist rund eineinhalb Jahre her, dass sich Thomas Hitzlsperger öffentlich zu seiner Homosexualität bekannte. Ein Entschluss, der für große Aufmerksamkeit sorgte. Hitzlsperger, der unlängst seine aktive Karriere beendet hatte, war der erste prominente deutsche Profiakteur, der diesen Schritt ging und ist seitdem in diesem Zusammenhang als Botschafter aktiv. „Es ist sehr wertvoll, was Thomas Hitzlsperger gemacht hat. Die Tatsache, dass sich im Profibereich kein Spieler bekennt, spricht Bände“, sagte Prof. Dr. Martin Schweer , der sich an der Universität Vechta mit dem Thema wissenschaftlich beschäftigt. Das Klima im Fußball habe sich in den letzten Jahren zum Positiven verändert. Nichtsdestotrotz müsse noch viel Arbeit geleistet werden, damit gleichgeschlechtliche Liebe und Sexualität gesellschaftliche Akzeptanz erfahren. Outings aktiver Spieler seien in diesem Prozess hilfreich. Hitzlsperger: „Homophobie kann man erst feststellen, wenn jemand wirklich schwul lebt. Wir sind auf einem guten Weg und müssen unsere Arbeit fortführen.“

Ob und wann sich ein Spieler outet, obliegt ihm selbst – darin war sich die Gesprächsrunde einig. Ohnehin müsse es weniger um die Besonderheit des Outings gehen, konstatierte Hitzlsperger. „Es muss für einen Spieler darum gehen, ob sich mit dem Schritt an die Öffentlichkeit seine persönliche Lebenssituation verbessert oder nicht.“ Sorge vor einem negativen Echo der Anhängerschaft sollte ein Akteur dabei nicht haben, wie Dirk Brüllau, renommierter Sprecher des schwul-lesbischen Fanklubs Queerpass St. Pauli, einwarf. „Die Fanszene wäre bereit dazu! Wer sich bei facebook homophob äußerst, sieht sich einem Shitstorm ausgesetzt.“ Dennoch: dass eine latente homophobe Haltung in der Gesellschaft vorherrscht, sehe man an der aktuellen Debatte um die gleichgeschlechtliche Ehe.

Holger Hieronymus wies auf die Rolle des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hin. „Es ist nicht die originäre Aufgabe des DFB, sich dem Thema Homosexualität im Fußball anzunehmen, aber ihm fällt eine gesellschaftliche Verantwortung zu.“ Der Verband müsse in dieser Hinsicht als Unterstützer und Partner auftreten. Dem stimmte auch HFV-Präsident Dirk Fischer in seinem Statement zu: „Wir gehen als Verband gegen jede Art von Homophobie rigoros vor!“

Ein vermeintlich lockererer Umgang mit der Thematik ist im Frauen-Fußball zu beobachten, wie Dieter Matz anmerkte. Man habe den Eindruck, dass dort offener drüber gesprochen werde. Hieronymus entgegnete, dass dieses Phänomen an der geringeren öffentlichen Aufmerksamkeit liege könne. Schweer ergänzte, Fußball sei „in vielen Köpfen einfach männlich besetzt“. Das Thema sei bis vor ein paar Jahren im Herrenbereich überhaupt nicht präsent gewesen. Gleichwohl habe der Frauen-Fußball mit anderen Arten von Diskriminierung zu kämpfen – Beispiel Leistungsakzeptanz.
In der Debatte um Homophobie in der Fußballszene fand Patrick Ittrich gegen Ende der Veranstaltung treffende Worte, indem er gesellschaftliche Toleranz einforderte. „Es sollte normal sein, dass man seinen Partner zur Weihnachtsfeier mitbringt.“ Sexuelle Orientierung dürfe in diesen Zusammenhang keine Rolle spielen.

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