Sepp-Herberger Jahrestagung 2023

Inklusion beim HFV

Die Inklusionsbeauftragten der DFB-Landesverbände

Ende April fand die jährliche Jahrestagung der Inklusionsbeauftragten der DFB-Landesverbände in der Sportschule Schöneck in Karlsruhe, in Baden-Württemberg statt. André Riebe war als Inklusionsbeauftragter für den Hamburger Fußball-Verband vor Ort und berichtet von der Tagung.

HFV: Danke für Deine Teilnahme und die Einblicke, die Du uns im geben möchtest. Um das Wort Inklusion einmal zu verdeutlichen, was versteht der HFV unter dem Begriff Inklusion?

André Riebe: Inklusion ist ein lebenslanger Prozess und steht im Grundgesetz. Niemand darf wegen des Geschlechtes, der Abstammung, der Rasse, der Sprache, der Heimat und Herkunft, des Glaubens oder der religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Inklusion hat das Ziel, geistige und physische Barrieren abzubauen, damit alle Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen ihr Leben nicht mehr an vorhandene Strukturen anpassen müssen. Der HFV versteht die Teilhabe aller Menschen als sozialgesellschaftlichen Auftrag und möchte miteinander statt nebeneinander die Umsetzung von Inklusion im und durch den Fußballsport organisieren und leben.

HFV: Mit welchen Schwerpunkten wird bei der Sepp-Herberger-Stiftung und im HFV gearbeitet?

André Riebe: Die DFB Sepp-Herberger-Stiftung unterstützt, begleitet und organisiert die bundesweite Inklusionsinitiative in Zusammenarbeit mit allen DFB-Landesverbänden. Jedes Jahr lädt die Stiftung alle Inklusionsbeauftragten aus den DFB-Landesverbänden zur Jahrestagung ein. Gemeinsam werden hier die Erfahrungen ausgetauscht, Barrieren erörtert, Schwerpunktthemen bearbeitet, weiterentwickelt und weitergedacht. Der HFV hat die Schwerpunktthemen übernommen und arbeitet kontinuierlich daran mehr inklusive Angebote und Wettbewerbe, mehr inklusive Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, mehr inklusive Qualifizierungsmaßnahmen und mehr inklusive Strukturen zu schaffen.

HFV: Ein größerer Themenblock der Veranstaltung waren die neuen Kinderspielformen und die Auswirkungen auf den Handicap Fußball. Was hast Du hier mitnehmen können?

André Riebe: Es gibt zu wenig inklusive Sportangebote für den frühkindlichen Bereich. Zumeist sind diese nicht ausreichend zugänglich gestaltet und werden wenig barrierefrei in der Öffentlichkeit repräsentiert. Die Regeln, Spiel- und Übungsformen müssen niedrigschwellig und auf individuelle Bedarfe für mehr Teilhabe veränderbar, also anpassbar sein. Der Auf- und Ausbau von praxisnahen Kinderspielformen beinhaltet mehr Erlebnis, Chancen(-gleichheit), Vielfalt und gesunden Erfolg. Es ist wichtig, so früh wie möglich mit dem Sensibilisieren anzufangen und nachhaltig für den inklusiven Fußballsport zu arbeiten. Der Fußballsport erreicht durch seine Beliebtheit viele Menschen und ist daher eine sehr gute Anlaufstelle, für mehr soziale Kontakte und bunte Bewegung in bunter Gesellschaft. Der Austausch hat uns alle darin bestätigt, dass die Nachfrage zu inklusiven Fußballangeboten hoch ist, aber die Entfernung zum nächsten Angebot zu groß, zeitaufwändig, kostspielig und beschwerlich ist. Die Mobilität zum Veranstaltungsort muss also der erste Schritt sein. Das Inklusionsteam des HFV möchte den Auf- und Ausbau von inklusiven Fußballangeboten personell stärken. Mit unserem Netzwerk arbeiten wir an Lösungsansätzen zur Gewinnung von interessierten Personen für die Spielleitung und Bereiche des inklusiven Verbands-, Vereins- und Teammanagements. Durch Qualifizierungsmaßnahmen, Workshops und Veranstaltungen wollen wir mehr Sichtbarkeit erzeugen und eine verbesserte Bewusstseinsbildung für die variantenreichen Fußballangebote erreichen.

HFV: Um von der Theorie mal ein wenig in die Praxis zu kommen:Was macht der HFV aktuell im Inklusionsbereich und was für Best Practise-Beispiele aus den anderen Landesverbänden konntest Du mitnehmen?

André Riebe: In Hamburg gibt es die Leuchtturmprojekte Amputierten Fußball beim Hamburger SV, Blinden Fußball bei FC St. Pauli, Gehfußball (Walking Football) bei der Spvgg Billstedt-Horn, Gehörlosenfußball beim Hamburger Gehörlosen Sportverein, Inklusionsfußball beim Bramfelder SV, Rollstuhl Fußball (Wheel Soccer) beim SV Eidelstedt und ein Fußballteam der Werkstatt alsterarbeit die zur evangelischen Stiftung Alsterdorf gehören. Was noch fehlt, ist der CP-Fußball. Der Begriff Zerebralparese (lat. cerebrum = Gehirn, griech. parese = Lähmung) umfasst unterschiedliche Ausprägungen von Bewegungsstörungen, die infolge einer Schädigung des zentralen Nervensystems auftreten. Es wird zwischen der frühkindlichen und der im Laufe des Lebens erworbenen Trauma- oder krankheitsbedingten Hirnschädigung (z. B. Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma) unterschieden. Darüber hinaus gibt es viele weitere Ideen, welche inklusiven Fußballangebote entstehen können und sollten. Beispielsweise eFootball für Menschen mit Handicap oder ein Fußballangebot für Krebspatienten. Im Vergleich zu anderen DFB-Landesverbänden ist der HFV bezüglich der Vielfalt von inklusiven Fußballangeboten gut aufgestellt. Weniger gut hingegen ist die Anzahl der genannten Fußballformen und demzufolge auch die geringe Teilnahmechancen bei Wettbewerbsveranstaltungen oder einfachen Freundschaftsspielen. Das Zusammenspiel von Bewegung und Begegnung ist enorm wichtig, aber leider dadurch sehr stark eingeschränkt oder nur mit großem Aufwand möglich. Der Gehfußball ist die aktuelle Trendsportart und hat großes Potenzial zu den inklusivsten Fußballformen von allen zu gehören. Das Inklusionsteam des HFV vermittelt, empfiehlt auszuprobieren und steht gerne beratend zur Seite. Die Erfahrungen der Inklusionsbeauftragten ähneln sich darin, dass die meisten inklusiven Fußballangebote durch Probe- und Schnuppertage entstanden sind.

HFV: Blicken wir einmal in die Zukunft: Welche Aktivitäten im Inklusionsfußball sind zukünftig im HFV geplant?

André Riebe: Die inklusive Arbeit muss kurz-, mittel und langfristig strategisch gut durchdacht sein. Hierfür orientiert sich der HFV am Landesaktionsplan zur Teilhabe von allen Menschen. Dieser wird nach Beteiligungsverfahren mithilfe der UN-Behindertenrechtskonvention durch politische Instanzen zusammengefasst. Angelehnt an dieses Positionspapier möchte der HFV mit allen interessierten und beteiligten Personen, Organisationen, Einrichtungen und Institutionen ein Konzept entwickeln, dass fortlaufend weitergedacht und bearbeitet werden soll. Im Herbst 2023 wird eine inklusive Sportwoche stattfinden, in der zahlreiche inklusive Sportangebote und Mitmachaktionen kostenfrei in Vereinen oder Schulen ausprobiert werden können. Es ist uns ein wichtiges Anliegen zu betonen, dass sich ein Besuch oder Beratungsgespräch zu jeder Zeit lohnt, um mehr über die Teilnahmechancen im Fußballsport zu erfahren. Viele lobenswerte Engagements und Vereinsprojekte sind noch unentdeckt und warten nur darauf, ein großes Zeichen für Inklusion zu setzen.

HFV: Abschließend eine persönliche Frage: Was macht für Dich den Inklusionsfußball aus und was würdest Du Menschen empfehlen, die möglicherweise noch keine Berührungspunkte mit dem Inklusionsbereich hatten?

André Riebe: Alle Menschen möchten gesehen werden und Wertschätzung erfahren. Der inklusive Fußballsport ist gesund, verbindet alle Menschen und stärkt das Selbstbewusstsein jedes Einzelnen. Im Training und Spiel selbstbestimmt Endscheidungen zu treffen oder von allen Ausblickpunkten zuschauen zu können, ist ein schönes Gefühl. Es bietet allen die Chance ein Freigeist zu sein. Die Erfahrung mit und ohne Beeinträchtigung schärft das Bewusstsein, das Verständnis und trägt zur persönlichen sowie sportlichen Entwicklung bei. Beeinträchtigt sein ist ein Talent. Wer das verstehen, lernen und erleben möchte, sollte sich überzeugen und einfach ausprobieren! Die Berührungsangst besteht überwiegend im Kopf. Darum empfehle ich aus eigener Erfahrung, in diesem Fall auf das eigene Herz zu hören und ohne Vorbehalte etwas Gutes zu tun.

HFV: Danke, André, für die Einblicke!

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