Trauer um Gerhard Schulenburg

Gerhard Schulenburg (Hamburg) als Schiedsrichter mit dem Bremer Herbert Lutz (lks.) und dem Hamburger Klaus Ohmsen bei einem internationalen Einsatz in Neapel - Foto privat

26.03.2013 – Der Hamburger Fußball-Verband trauert um Gerhard Schulenburg (geb. 11.10.1926). Einer der besten Unparteiischen, die in den 50er, 60er und 70er Jahren im HFV, in Deutschland und Europa aktiv waren, verstarb in der Nacht zum Dienstag in seiner Wohnung in Laatzen. Schulenburg, der 14 Jahre lang FIFA-Schiedsrichter war und bei den renommiertesten europäischen Klubs Spiele leitete, wurde 86 Jahre alt.

In dem Buch 100 Jahre Fußball in Hamburg widmete der Journalist Lutz Lüttig im Jahre 1995 Gerd Schulenburg folgendes Kapitel:

„Schule“ und der plattdeutsche Grieche
Im Jahre 1949 begann die Schiedsrichterkarriere eines Mannes, der in den folgenden zwanzig Jahren große Fußstapfen als Schiedsrichter in Hamburg hinterlassen sollte. Es wäre ungerecht und für uns Hamburger auch unklug, ihn nicht als einen der Unseren zu betrachten, nur weil er 1969 aus beruflichen Gründen nach Hannover zog. Von Gerhard Schulenburg, genannt ‚Schule‘, ist hier die Rede. Und wenn wir am Anfang unseres Beitrages geschrieben haben, dass der Name Klaus Ohmsen in Hamburg das Synonym für Schiedsrichter ist, so treten wir dem guten Klaus wohl nicht zu nahe, wenn wir feststellen, dass Gerd Schulenburg diese Bezeichnung gebühren würde, wenn er denn in Hamburg geblieben wäre.

Mit 22 begann ‚Schules‘ Karriere, als er zum dritten Mal von einer Gelbsucht genesen war und ihm der Arzt das aktive Spielen bei seinem im Stadtteil Dulsberg angesiedelten Verein Stern-Pfeil untersagte. 1953 das erste Oberligaspiel (Hannover 96 — VfB Lübeck), 1956 erstmals ein Gruppenspiel in der Endrunde zur Deutschen Meisterschaft (Borussia Dortmund — Viktoria 89 Berlin) und am 1. September 1960 der Sprung auf die FIFA-Liste — so liest sich seine Karriere im Telegrammstil. Schulenburg hatte als einer der ersten erkannt, wie wichtig für den Schiedsrichter körperliche Fitness ist. Wie in seinem Vereinsnamen angedeutet, war er pfeilschnell und ungeheuer lauffreudig. Die schönsten Spiele, so verriet er es einmal der ‚WELT am SONNTAG‘, waren für ihn die, »die am meisten Zündstoff enthalten und trotzdem nicht explodieren. Weil wir da sind.«
In den 60er Jahren war Schulenburg ständig in Europa unterwegs, deutsche Schiedsrichter wurden noch sehr häufig für knifflige Entscheidungsspiele im Ausland angefordert. Klar, dass der Bezirksstellenleiter einer Krankenkasse so manche ‚Schote‘ erzählen konnte. Zum Beispiel die eine, die er Gerhard Seehase erzählte, der sie für die ‚WELT am SONNTAG‘ aufschrieb.
Man hatte ihn zum Spiel AEK Athen gegen Olympiakos Piräus gebeten, kein Fußballspiel, wie Seehase schrieb, sondern »der Höllentanz zweier rivalisierender Nachbarn«. Gerhard Schulenburq: »Hinter meinem Rücken wird der Mittelläufer von AEK von seinem Gegenspieler festgehalten und fällt auf die Nase. Der Geschädigte rappelt sich hoch und tritt zweimal kräftig zu. Mein Linienrichter Horst Herden sieht das, der Platzverweis ist fällig. Aber der Bursche will nicht gehen. Er will einfach nicht. Es vergehen Minuten mit Diskussionen und endlosem Palaver. Ich weiß nicht, wie es kam — plötzlich sprudelt mir der schöne plattdeutsche Ausspruch ‚Ick pett di gliecks in Mors‘ über die Lippen. Das Eigenartige: Die Griechen verstanden offenbar Plattdeutsch. Nach diesem Ausbruch konnte es endlich weitergehen.«
Egal, wo Schulenburg damals antrat, er war hochangesehen und bekam überall glänzende Kritiken. 1970 pfiff er sein 888. Pflichtspiel — es war das Pokalendspiel 1. FC Köln gegen Offenbacher Kickers (1:2). Er brachte es auf 106 Bundesligaspiele. Höhepunkt und Abschluss seiner Karriere war die Fußball-WM 1974 in Deutschland, bei der er das Spiel Schottland gegen Zaire (3:0) leitete. In einem weinroten Dress übrigens, weil die Schotten traditionell dunkelblaue Hemden tragen — der farbige Abschluss einer farbigen Karriere.

Das ist Gerhard Schulenburg – Persönliches und eine kleine Auswahl seiner Spiele – Geburtstag: 11. Oktober 1926 (Hamburg), Schiedsrichter seit 1949, Vereine: TuS Wustrow, Stern-Pfeil Hamburg und SV Germania Grasdorf, 21 Jahre in der höchsten deutschen Spielklasse (1953 bis 1974), Oberliga von 1953 bis 1963, Bundesliga von 1963 bis 1974 (106 Spiele), Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1961: 1. FC Nürnberg – Borussia Dortmund 3:0 in Hannover, drei Endspiele um den DFB-Pokal – 1959: Schwarz-Weiß Essen – Borussia Neunkirchen 5:2 in Kassel; 1966: Bayern München – Meidericher SV 4:2 in Frankfurt/Main; 1970: Kickers Offenbach – 1. FC Köln 2:1 in Hannover (sein 888. Spiel); 14 Jahre FIFA-Schiedsrichter (1960 bis 1974): 98 internationale Einsätze, darunter 26 A-Länderspiele; Messe-Cup-Endspiel 1968 (Vorläufer des UEFA-Cups): Ferencváros Budapest – Leeds United 0:0 (Leeds nach 1:0 im Hinspiel Cup-Sieger); EM 1968: Viertelfinale (Hinspiel im damaligen Modus): Bulgarien – Italien 3:2; Olympische Spiele 1972 in München: Iran – Brasilien 1:0 (Schiedsrichter). Finale Polen – Ungarn 2:1 (Linienrichter bei Kurt Tschenscher); WM 1974 in Deutschland: Schottland – Zaire 2:0 (Schiedsrichter). Polen – Italien 2:1 (Linienrichter bei Hans-Joachim Weyland) – Quelle: NFV

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