Was machen eigentlich die Schiedsrichter*innen im HFV, wie sind sie organisiert und wie ticken sie? Wir stellen hier nach und nach die acht Bezirks-Schiedsrichterausschüsse (BSA) des HFV vor. Heute an der Reihe: der BSA Nord.
Östlich und nördlich der Außenalster, von Wandsbek bis Uhlenhorst, von Eilbek bis Winterhude sind die Vereine angesiedelt, die dem BSA Nord angehören. Mit 19 Vereinen ist der BSA Nord einer der kleineren Bezirke. Unter den insgesamt 292 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern pfeifen aktiv 255. Alexander Teuscher (SC Eilbek) ist Obmann des BSA – mit insgesamt zwölf Jahren im Vorstand ist er der „alte Hase“ unter seinen Vorstandskollegen. Sven Reinhart (ebenfalls SC Eilbek), Christian Lüders (TSV Wandsetal) und Patrick Hiebert (BU) komplettierten den Vorstand als Beisitzer.
Für alle, die bisher nur Bahnhof verstehen, erklärt Obmann Alexander Teuscher die grundsätzliche Organisation: „Der BSA ist das erste Vordach der Vereine unter dem großen Dach des Verbands-Schiedsrichterausschusses des HFV. In einem BSA sind die Vereine in einem lokalen Bezirk organisiert. Der Obmann eines BSAs wird von seinen Vereinen gewählt, um die Interessen der Vereine bezüglich des Schiedsrichterwesens gegenüber dem VSA zu vertreten“. Der BSA ist somit das Bindeglied zwischen den Vereinen und dem VSA.
5,5 Prozent – das ist die Frauen-Quote im BSA Nord. „Mit 14 Frauen von 255 Schiedsrichtern können wir nicht zufrieden sein“, gesteht Alexander Teuscher. „Allein in unserem Bezirk sind rund 20 Mannschaften im Mädchen- und Frauenbereich gemeldet. Damit sind wir leider nicht in der Lage, die Frauen- und Mädchenspiele ausschließlich mit Schiedsrichterinnen zu besetzten“, sagt er. Die Akquise für Schiedsrichterinnen gestalte sich bei Frauen allerdings deutlich schwieriger als bei den männlichen Kollegen – zudem sei es auch geschlechterunabhängig schwierig Nachwuchs zu akquirieren.
„Wenn kein Corona ist, bieten wir zweimal jährlich einen Anwärterlehrgang zur Ausbildung neuer Schiedsrichter*innen an. Einen Lehrgang voll mit 25 bis 30 Neulingen zu besetzen, ist meist ein Kraftakt, den insbesondere unsere Vereinsobleute leisten müssen“, berichtet er.
Warum es so schwer ist, Anwärterinnen und Anwärter zu finden, habe diverse Gründe. „Steigende zeitliche Anforderungen der heutigen Jugendlichen in der Schule oder in der Ausbildung und der Zugang zu vielen anderen zeitintensiven Hobbys, z.B. das Fußballspielen selbst, sind nur zwei Gründe. Allgemein ist das Vereinsleben, also das Zusammensein am und im Verein, weniger im Fokus der Gesellschaft; alles ist schnelllebiger und flexibler geworden, was für hohe Fluktuation sorgt. Und wenn man dann in einem Fußballverein aktiv ist, dann ist der ‚Job‘ des Schiedsrichters noch der im Blick der Allgemeinheit unbequemste“, stellt Sven Reinhart fest. „Die schnell auch mit Bildern verbreiteten unschönen Seiten des Schiedsrichterdaseins tun ihr übriges. Auch, wenn die Zahlen belegen, dass es über die Zeit statistisch nicht gehäuft vorkommt, landen diese Dinge deutlich schneller und bildlich belegt in den Nachrichten bzw. sozialen Kanälen. Dies wirkt abschreckend“, meint er.
Neben dem Mangel an (weiblichem) Nachwuchs, den auch die anderen Hamburger BSA beklagen, wirke sich Corona unerwarteterweise wenig auf den BSA Nord aus, berichtet Teuscher: „Mit den aktuellen Meldebögen ist der erfasste Schiedsrichter-Schwund aufgrund der Pandemie und der damit einhergehenden Pause auf Hamburgs Sportplätzen aktuell erstaunlich gering. Da haben wir ehrlich gesagt mehr erwartet. Jetzt, da die neue Saison läuft und schon eine große Menge an Vorbereitungsspielen ausgetragen wurde, erlebt man eher, dass viele wieder auf die Sportplätze wollen“.
Trotzdem bereitet die generelle Entwicklung dem BSA Nord Sorgen: „Wir erleben und erwarten einen Schwund des pfeifenden Personals. Für das Ehrenamt Schiedsrichter zu begeistern und darüber hinaus die gewonnenen Leute zu erhalten, ist mehr als herausfordernd, strapaziert viele Nerven und braucht eine gehörige Portion Durchhaltevermögen“, so Teuscher. Langfristig rechne man damit, dass sie Zahlen der Schiedsrichter*innen sinken, während die Zahlen der Mannschaften und Spieler*innen steigen. „Ein ungesundes Wachstumsverhalten für den Hamburger Amateurfußball“, meint Teuscher. Zu bedenken gibt er außerdem, dass „der ‚Schaden‘, der durch die Pausierung der Ausbildung neuer Schiedsrichter*innen entstanden sein könnte, sich erst zukünftig bemerkbar macht. In dem Zeitraum von eineinhalb Jahren, in denen wegen der Pandemie nicht ausgebildet werden konnte, hätten wir in der Regel drei Anwärterlehrgänge durchgeführt. Damit fehlen uns in diesem Zeitraum etwa 50 bis 60 neuausgebildete Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen“.
Dass das Hobby der Schiedsricherei aber vor allem auch Spaß und Erfolg bringen kann, beweisen zahlreiche Beispiele. So kann der BSA Nord auf einige bekannte Gesichter in seinen Reihen blicken.
„Der prominenteste Aktive des BSA Nord in den höchsten deutschen Spielklassen ist sicherlich Norbert Grudzinski vom TSV Wandsetal, der in der 1. Bundesliga an der Linie steht und obendrein Mitglied des VSA-Vorstands ist. Vor seiner Spezialisierung als Schiedsrichterassistent hat Norbert Spiele der 2. Bundesliga geleitet“, erzählt Teuscher. Seit 2004 leitet Norbert Grudzinski Spiele im DFB-Pokal, als Assistent war er außerdem in der Qualifikation zur UEFA U21-EM 2006 im Spiel zwischen Italien und Ungarn dabei. Durch einen so kurios wie unglücklichen Vorfall bei der Bundesliga Partie zwischen dem VfB Stuttgart und Borussia Dortmund am 29. März 2014 hat Grudzinski, der an der Linie stand, eine besondere Erfahrung in der Bundesliga gemacht. „Nach einem Achillessehnen-Riss des Kollegen Michael Weiner in der 75. Minute musste Norbert einspringen und hat so seine Erstligaerfahrung um mehrere Minuten an der Pfeife erweitert“, erinnert sich Alexander Teuscher.
Mit Fallah Abed Saad hat der BSA Nord einen weiteren Aktiven in seinen Reihen, dessen Schicksal öffentliches Interesse erregt hat. „Falah hatte unter dem Wimpel der FIFA für den irakischen Fußballverband gepfiffen und kann sogar Länderspiele zu seinem Werdegang an der Pfeife zählen. Im Irak war er deswegen eine Art ‚Star‘“, erzählt Sven Reinhart. „Leider musste er das tragische Schicksal einer Flucht nach Deutschland für eine bessere medizinische Versorgung seines unter einem Herzfehler leidenden Sohnes auf sich nehmen – zum Glück mit Happy End für den Kleinen, denn es geht ihm wieder den Umständen entsprechend gut. Uns freut es sehr, dass Falah dann den Weg zu uns und somit zurück zur Pfeife gefunden hat. Mit vielen Gesprächen konnten wir dafür sorgen, Falah in unsere Hamburger Fußballwelt zu integrieren und zusammen mit dem VSA noch ein paar Spielzeiten in der Hamburger Oberliga ermöglichen. Nun hat er die Altersgrenze für den VSA überschritten, aber er bleibt dennoch unserem BSA und seinem geliebten Hobby bis zur Herren-Bezirksliga treu“, freut sich Reinhart.
Dabei erinnert sich Teuscher an eine Anekdote der Kategorie „So klein ist die Welt“: „Falah hat uns stolz Fotos aus seiner aktiven FIFA-Zeit gezeigt. Unter anderem war da ein Foto der CISM Military World Games („Olympiade der Armeen“) dabei. Auf dem Foto erkannten wir aber neben Falah einen weiteren Referee, Patrick Schult (SC Osterbek), welcher seinerzeit ebenfalls für den DFB in der 3. Liga pfiff und unserem BSA angehörte. Patrick hatte die Military World Games 2011 und 2015 und somit zweimal in Folge als Schiedsrichter begleitet“.
Auch Horst Krohn vom VfL 93, der 1997 das Amt des BSA-Obmanns von Heiner übernommen hatte, hebt Teuscher hervor: „Er hat anschließend zehn Jahre das Amt innegehabt. In der Hochphase seines pfeifenden Schaffens hat Horst Spiele in der Regionalliga geleitet und war bis zur 2. Bundesliga als Schiedsrichterassistent im Einsatz. Trotz dieser hochklassigen Luft, die Horst schnuppern konnte, ist er dem BSA Nord derartig verbunden geblieben, dass er sich zum Obmann des BSAs wählen ließ, als frischer Wind von Nöten war“.