Vom 4.8.2017 bis zum 6.8.2017 stand der jährliche Lehrgang der Schiedsrichter der höchsten deutschen Juniorenspielklasse, der A-Junioren Bundesliga (AJBL), an. Es gibt in Deutschland drei U19 Bundesligen, Nord/Nordost, West und Süd/Südwest. In diesen Ligen spielen insgesamt 48 Teams (jeweils 16), wovon die meisten Teams die Nachwuchskader der Mannschaften aus den ersten beiden Bundesligen sind, also z.B. Hertha BSC Berlin U19.
Für diese Ligen gibt es, neben einigen jungen Regionalligaschiedsrichtern, in ganz Deutschland noch 40 weitere Schiedsrichter die in dieser Liga pfeifen dürfen und auch teilweise bundesweit eingesetzt werden. Luca Jürgensen (Eintracht Norderstedt) und Florian Pötter (FC Voran Ohe) vertreten den HFV in der kommenden Saison in dieser Spielklasse und waren somit auch zu dem Vorbereitungs- und Qualifizierungslehrgang am vergangenen Wochenende nach Grünberg (in der Nähe von Frankfurt a.M.) eingeladen. Dort sollten neben vielseitige Trainingseinheiten, interessante Gruppenarbeiten und spannenden Vorträgen auch drei (!) Prüfungen (u.a. Regeltest), deren Bestehen Voraussetzung für Ansetzungen in dieser Spielklasse ist, auf dem Programm stehen.
Die Anreise am Freitagmorgen startete wie man es von der deutschen Verkehrsinfrastruktur gewohnt ist, undzwar mit einer SMS der Fluggesellschaft: Der Flug wurde annulliert. Eine schnelle Umbuchung und die spontane Hilfe eines bayrischen Schiedsrichter-Kollegen, der die Hamburger am Flughafen Frankfurt kurzfristig abholte, stellten jedoch die überpünktliche Ankunft an der Sportschule Grünberg sicher. Noch schnell einen Mittagssnack abgegriffen, die (alten) bekannten Schiedsrichter-Freunde, die man ja meistens nur einmal im Jahr sieht, herzlich begrüßt und schon wurde der Lehrgang vom Vorsitzenden der Amateur-Kommission Helmut Geyer eröffnet. Dieser übergab nach einigen eröffnenden Sätzen an den Lehrgangsleiter, DFB Lehrwart Lutz Wagner. Wer Lutz Wagner kennt, weiß, dass nun höchste Kompetenz gepaart mit einer unglaublichen Fähigkeit Sachverhalte, Schwerpunkte und Prioritäten zu vermitteln angesagt ist. Mit seiner leidenschaftlichen und unnachahmlichen Art sind als erstes die neuen Regeländerungen zur Saison 2017/18 durchgegangen worden, und wer Lutz kennt, weiß, dass es spätestens danach alle verstanden haben sollten. Bevor es dann in die Kaffee- und Kuchenpause ging, wurden noch einige Szenen besprochen, die in der Sommerpause „angefallen“ sind, also z.B. vom Confed-Cup, U21-EM oder Frauen-EM. Nach der kurzen Kaffeepause war dann ein Gastvortrag geplant. Gerhard Gerstenmayer, einer der Vorsitzenden der österreichischen Schiedsrichterkommission, gab einen Einblick in die Arbeit der österreichischen Schiedsrichter. Es gab durchaus gravierende Unterschiede, aber auch viele Parallelen zu den deutschen Ligen.
Um 18:30 Uhr ging es nun raus zur ersten Trainingseinheit mit dem DFB-Schiedsrichtertrainer Heinz-Dieter Antretter. Die „langen“ Anreisestrapazen sollten „nachgearbeitet“ und der am Samstagmorgen anstehende Lauftest vorbereitet werden. Wer Dieter Antretter kennt, weiß, dass nun höchste Kompetenz gepaart mit absoluter Professionalität und Disziplin, aber auch der ein oder andere lockere Spruch, auf dem Programm steht. Einen sportlichen Berater, wie Antretter, wünscht man sich für die gesamte Saison. Es wurde ein wenig angeschwitzt, die Beine gelockert und alle wichtigen Muskelpartien gedehnt. Alle fit, es gab keinerlei Beschwerden und somit stand dem glorreichen Tagesabschluss nichts mehr im Wege: Regel- und Konformitätstest. Das Bestehen dieser Tests ist Pflicht um Spiele in der AJBL leiten zu dürfen. Wie ein Regeltest funktioniert, erklärt sich von selbst und ist schon seit Jahren im Schiedsrichterwesen auf vielen Ebenen Pflicht. Doch der Konformitätstest war zum ersten Mal verpflichtend. Dieser funktioniert wie folgt: Man sieht sich ausgewählte Szenen aus Bundesliga, Champions-League, EM oder WM an und muss diese dann alleine bewerten, also z.B. grobe Foulspiele, Verhinderung aussichtsreicher Angriffe, Verhinderung einer klaren Torchance oder auch Abseits. Am Ende darf man bei 15 Szenen maximal 2 falsch bewertet haben. Durch diesen Test wird versucht eine einheitliche Linie zu erreichen, also dass alle Schiedsrichter bei vergleichbaren Situationen zum selben Ergebnis kommen. Beide Tests wurden von allen 40 Teilnehmern bestanden.
Wer jetzt denkt, dass es danach an die Bar ging, liegt falsch. Denn schon um 8:30 Uhr am nächsten Morgen startete der Lauftest. Auch hier gab es im Vergleich zu den letzten Jahren eine Neuerung. Es wurde der neue FIFA-Test absolviert. 75 Meter in 15 Sekunden laufen, 25 Meter in 18 Sekunden gehen und dann aus dem Stand erneut in die 75 Meter starten. Das Ganze ging dann über 4 Kilometer, also 10 Runden lang, 40 Mal beschleunigen. Es gab zwar den ein oder anderen der „Seitenstiche“ beklagte, aber weder hier noch bei den vorangegangen 40 Meter Sprints in 6,0 Sekunden gab es ernsthafte Probleme und somit war Trainer sehr zufrieden.
Vor der nächsten Sporteinheit am Abend („aktive Regeneration“) gab es nachmittags Gruppenarbeiten zu den Themen „Armeinsatz/Handspiel“ und „Strafraumszenen/Torwartverhalten“. Diese liefen so ab, dass erst Parameter für die jeweiligen Situation herausgearbeitet wurden, also z.b. für Handspiel: Entfernung kurz/lang, Blick zum Ball ja/nein, Hand zum Ball oder Ball zur Hand, Abpraller ja/nein, Körperhaltung des Spielers natürlich/unnatürlich usw. Mit Hilfe dieser Parameter wurden dann zahlreiche Videoszenen analysiert und diskutiert. Gerade diese Gruppenarbeiten bzw. die intensive Beschäftigung auf konkrete Situation z.B. Handspiel können wirklich sehr ertragreich sein. Je mehr Situationen man sieht und die Parameter anwendet, desto leichter und überzeugender gelangt man auf dem Platz zur richtigen Entscheidung.
Das Abendprogramm war dann sehr entspannt. Es wurde gegrillt, der Supercup geguckt und auch das ein oder andere isotonische Kaltgetränk genossen. Am Sonntagmorgen wurde um 7:00 Uhr kurz ausgelaufen und der Kreislauf nochmal angekurbelt. Danach gab es noch 2-3 kurze Ansprachen der DFB-Geschäftsstelle, des Ansetzers und des Trainers, bevor um kurz nach 11 Uhr der Lehrgang beendet wurde und die Heimreise, nicht ganz ohne Verspätung angetreten wurde.
Alles in allem war es wieder ein wirklich professionell organisierter und durchgeführter Lehrgang. Die theoretischen Einheiten waren sehr produktiv und immer mit vielseitigem Videomaterial untermauert. Die praktischen Einheiten haben wieder neue Anreize für das eigene Training und die eigenen Vorbereitungen auf die Spiele gegeben. Die Voraussetzungen für eine hoffentlich erfolgreiche Saison sind somit geschaffen und es kann endlich wieder richtig losgehen.
Florian Pötter