Sie sind unverzichtbar im Fußball, trotzdem werden sie oft übersehen: die Männer und Frauen mit der Pfeife in der Hand. Grund genug für uns, mal einen zweiten Blick in den Schiedsrichterbereich beim Hamburger Fußball-Verband zu werfen! Nachdem uns vor Kurzem Christian Soltow, der Vorsitzende des Verbands-Schiedsrichterausschusses im HFV, Rede und Antwort gestanden hat, geht’s nun einen Schritt weiter, genauer gesagt in die Bezirks-Schiedsrichterausschüsse (BSA).
360 Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter in 25 Vereinen im Hamburger Osten sowie in Teilen der Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg in Schleswig-Holstein: Das ist der BSA Bergedorf! Genauer gesagt sind es folgende Vereine:
SV Altengamme, BSFV Atlantik, TuS Aumühle/Wohltorf, ASV Bergedorf 85, FC Bergedorf 85, TSG Bergedorf, SV Bergedorf-West, SV Börnsen, SV Curslack-Neuengamme, TuS Dassendorf, Düneberger SV, Escheburger SV, FSV Geesthacht, VFL Grünhof-Tesperhude, TSV Gülzow, SV Hamwarde, FC Lauenburg, Lauenburger SV, VFL Lohbrügge, SV Nettelnburg-Allermöhe, TSV Reinbek, SC Schwarzenbek, SC Vier- und Marschlande, FC Voran Ohe, SC Wentorf
Für etwa 3.500 Spiele pro Halbserie setzt Günther Adermann Unparteiische an – in Zeiten ohne Corona versteht sich. Hinzu kommen 550 Neuansetzungen durch Rückgaben von Schiedsrichter*innen oder Assistent*innen. Insgesamt sind es also rund 4050 Ansetzungen pro Halbserie. Heruntergebrochen auf einen Spieltag liegt das Mittel also bei etwa 225 Ansetzungen pro Wochenende. „Dass diese Anzahl an Ansetzungen nicht einfach ist, wird jeder bestätigen, der dieses Amt ausführt, schließlich macht man sich Gedanken über die Art der Spiele und die vorhandenen Schiedsrichter“, weiß Günther Adermann, „Wer kann zu welchem Spiel eingeteilt werden, damit die Paarungen möglichst problemlos über die Bühne gehen? Das erfordert Kenntnis über Mannschaften, Schiedsrichter und eventuelle Brisanz in den Begegnungen“.
Durch eine Neuerung im Jahr 2018 gelingt es dem BSA Bergedorf nun, etwa 99 Prozent aller Partien mit Schiedsrichter*innen anzusetzen. Dabei werden in der Woche vor dem nächsten Spielwochenende die noch nicht namentlich angesetzten Spiele an alle Schiedsrichter*innen des Bezirks gesendet. „Es gibt etliche Kameraden, die dann noch das eine oder andere Spiel übernehmen möchten“, erzählt Günther Adermann. Ein großes Plus für alle Beteiligten: die Mannschaften, die Schiedsrichter*innen vor Ort haben, und die Schiedsrichter*innen, die gerne mehr machen möchten als andere – aber auch die, denen in der laufenden Serie noch Spiele zu ihrem Soll von acht Spielen fehlen.
Mit insgesamt 324 aktiven und 32 passiven Schiedsrichter*innen steht der BSA Bergedorf sehr gut dar – das Soll, mindestens 256 Schiedsrichter*innen zu stellen, übertrifft der BSA um satte 68! Das bedeutet aber nicht, dass alle Vereine gut dastehen, erzählt Günther Adermann. Das Manko mancher Vereine gleiche sich einfach durch das Plus anderer aus. Das sei allerdings keine hinnehmbare Lösung, mahnt der BSA-Obmann. Diejenigen Vereine mit zu wenigen Schiedsrichter*innen müssten an ihrem Defizit arbeiten, „damit sie ihren solidarischen Beitrag zur Fußballfamilie leisten“.
Fünf Prozent – das ist der Anteil weiblicher Schiedsrichterinnen im BSA Bergedorf. Dass der BSA damit nicht zufrieden ist, liegt auf der Hand. „Von unseren 324 aktiven Schiedsrichtern sind es lediglich 16 Schiedsrichterinnen. Das finden wir sehr schade“, bedauert der BSA-Obmann. Dabei seien die Möglichkeiten in Bezug auf Entwicklungsmöglichkeiten und Aufstiege in höhere Spielklassen bedeutend besser als bei den männlichen Kollegen. Hier sieht der Obmann vor allem die Vereine in der Pflicht, die „noch einen erheblichen Optimierungsbedarf“ hätten. Besonders stolz ist der BSA dabei auf die Schiedsrichterinnen, die dabei sind: „Sie machen ihre Sache wirklich gut – darauf können sie genauso stolz sein wie wir“.
Aktuell hat der BSA Bergedorf mit Adrian Höhns (TuS Dassendorf) einen Schiedsrichter, der in der kommenden Serie in der neu geschaffenen Futsal-Bundesliga eingesetzt wird. In der Futsal-Regionalliga sind Cindy Dühring (Escheburger SV) und Danny Stöver (SV Nettelnburg-Allermöhe) im Einsatz. Beim Fußball ist aktuell kein*e Schiedsrichter*in in den ersten drei Ligen vertreten, aber in der Regionalliga pfeifen mit Adrian Höhns, Florian Pötter (FC Voran Ohe) und Jarno Wienefeld (VfL Lohbrügge) drei Vertreter, für die es vielleicht noch weiter nach oben geht.
Im VSA sind weitere sieben Kameraden tätig: Max Beyer (SC Vier- und Marschlande) Paul Dühring (SV Nettelnburg-Allermöhe), Björn Friedsch (SV Börnsen), Tim Kossek (SC Wentorf), Marvin Vogt (SV Börnsen), Dennis Voß (TuS Dassendorf) und Kelvin Wodrich (TSV Reinbek). Im Nachwuchskader des VSA dürfen sich mit Jan Strauch (SC Wentorf) und Enrico Zielinski (SC Wentorf) zwei Kameraden beweisen.
Dass auf DFB-Ebene niemand an der Linie oder auf dem Platz steht, war allerdings nicht immer so: Mit Uwe Ennuschat (TSG Bergedorf) war schon einmal ein Schiri des BSA Bergedorf als Schiedsrichter-Assistent in der Bundesliga eingesetzt. Auch international FIFA-Schiedsrichter-Assistent, u.a. bei Einsätzen im UEFA-Pokal der Landesmeister, war er dabei und durfte 1992 das Finale Sampdoria Genua gegen FC Barcelona im alten Wembley-Stadion begleiten. Zu Länderspielen war Ennuschat ebenso eingeladen; einer seiner sportlichen Höhepunkte war die Europameisterschaft 1992 in Dänemark.
Interessant ist auch, dass Schiedsrichter*innen den umgekehrten Weg gegangen sind, erinnert sich Günther Adermann: „Als Schiedsrichter*innen angefangen, haben sie als Fußballer*in den Weg in die Bundesliga gefunden: Anna Hepfer, ehemals Schiedsrichterin beim SCVM, sowie Martin Harnik, ehemals Schiedsrichter beim SCVM, und Max Kruse, ehemals Schiedsrichter der TSV Reinbek“.
Zum Tagesgeschäft des BSA Bergedorf gehören normalerweise Lehrgänge und Lehrveranstaltungen. In der Corona-Zeit fallen diese Zusammenkünfte aus. Stattdessen weicht man auch im BSA auf digitale Lösungen aus: Regelschulungen, vorbereitet von Lehrwart Dennis Krohn und Jarno Wienefeld, finden aktuell monatlich per Videokonferenz statt. Bei der Teilnehmerzahl allerdings sei noch Luft nach oben: „Der Besuch ist okay, könnte aber noch besser angenommen werden. Viele der Kamerad*innen präferieren eben eine Präsenzveranstaltung“, erklärt Günther Adermann.
Anwärterlehrgänge machen derzeit keinen Sinn, da die neu ausgebildeten Schiedsrichter*innen ihre neu erworbenen Kenntnisse nicht anwenden könnten, erzählt Günther Adermann. „Daher haben wir uns entschieden, hiermit erst wieder zu beginnen, wenn absehbar ist, dass der Spielbetrieb wieder starten kann“.
Nach der Arbeit kommt das Vergnügen, sagt man so schön. Doch natürlich können auch im BSA Bergedorf die sonst jährlich stattfindenden Veranstaltungen wie Ehrungsveranstaltungen mit Jahresabschluss und Grünkohlessen, oder Saisonabschlüsse seit ´März 2020 nicht mehr realisiert werden. Auch ein jährliches Fußball-Turnier der Schiedsrichter, das Herbert-Kuhr-Turnier, veranstaltet der BSA Bergedorf normalerweise im Wechsel mit den sieben anderen Bezirken. Kicken, grillen und in geselliger Runde zusammensitzen – all das gehört sonst dazu im BSA. „Wir haben halt Spaß miteinander“, erzählt Günther Adermann und freut sich auf eine Zeit, in der all das nachgeholt werden kann.