Harburg macht´s vor! – Fußball mit Leidenschaft und Anstand

HFV-Info-Interview mit Rolf Ludwig und Willy Wilkens

An die Vereine aus Harburg wurden mit dem Slogan bedruckte Leibchen verteilt – Foto privat

Neues Projekt: „Demokratie leben!“

Ein neues Projekt im Bezirk Harburg, das für Fairplay, Respekt und Demokratie im Fußball werben soll. Das Projekt läuft seit 2021 und wird mit Bundesmitteln aus dem Modellprojekt „Demokratie Leben!“ gefördert. Der Hamburger Fußball-Verband (HFV) ist mit seinem „Präventionsteam“ Kooperationspartner im Projekt.

Die HFV-Info sprach mit Initiator Rolf Ludwig vom Bezirksamt Harburg und Willy Wilkens vom Präventionsteam des HFV über das Vorhaben.

HFV-Info: Rolf, Du bist seit 11 Jahren im Verbandsjugendausschuss des HFV tätig und seit 4 Jahren in der Sportabteilung des Bezirksamts Harburg. Was hat Euch in Harburg angetrieben, dieses Projekt ins Leben zu rufen?

Rolf Ludwig: Nach einer ungewöhnlichen Anhäufung von Spielabbrüchen im Spätherbst 2018 mit teils erheblichen Gewaltaktionen haben wir uns im Bezirk Gedanken gemacht, wie wir mittel- bis langfristig dafür sorgen können, der Gewalt auf den bezirklichen Sportplätzen entgegenzuwirken. Die LAWAETZ-Stiftung, mit der das Bezirksamt im Rahmen der Lokalen Partnerschaften in Harburg und Süderelbe seit langem erfolgreich zusammenarbeitet, ließ sich schnell davon begeistern und auch mit dem HFV waren wir uns schnell einig, dass hierbei eine enge Zusammenarbeit Sinn erfüllend sein wird. Als wir dann im August 2021 alle bezirklichen Fußballvereine ins Harburger Rathaus eingeladen hatten, kamen – bemessen an den Meldezahlen – 85% und stimmten mir zu, dass wir zwar kein akutes, aber ein latentes Problem mit Gewaltpotenzialen im Fußball haben. Diese treten teils auf, teils neben dem Platz auf und unterscheiden sich massiv in Abhängigkeit vom Alter der Spieler. Die Harburger Vereine haben hier auch sofort mitgezogen, als wir ihnen erklärten, dass wir am besten zusammen gegen diese gemeinsame Herausforderung vorgehen sollten.

Rolf Ludwig ist Mitarbeiter im Bezirksamt Harburg und Mitglied im Verbands-Jugendausschuss des HFV – Foto Gettschat

HFV-Info: Willy, was macht der HFV bzw. das Präventionsteam in diesem Projekt.

Willy Wilkens: Der HFV bringt in dieses Projekt insbesondere die Kompetenzen und Erfahrungen aus der jahrelangen Arbeit des „Präventionsteams“ in das Projekt ein. Wir unterstützen Rolf und das Bezirksamt in der inhaltlichen, organisatorischen und strategischen Planung des Projekts und führen diverse Maßnahmen im Rahmen des Projekts durch.

HFV-Info: Rolf, kannst du kurz die Grundzüge und Ziele des Projekts skizzieren?

Rolf Ludwig: Wir haben die finanzielle Unterstützung aus Bundesmitteln bis 2024, so dass wir uns Zeit lassen und Nachhaltigkeit höher ansetzen können als kurzfristige Erfolge. Wir sammeln wichtige Erkenntnisse sowohl auf den Sportplätzen als auch im regen Austausch mit den Vereinsvertretern. Hieraus versuchen wir anschließend, Handlungsempfehlungen und Lösungsansätze zu schmieden, die möglichst universell und übertragbar sind. Wenn wir es dabei hier im Bezirk schaffen, eine Identifikation der meisten Vereine mit dem Projektslogan „Fußball mit Leidenschaft und Anstand“ aufzubauen und eine ausgeprägte Sensibilisierung für die Gewaltpotenziale rund um den Fußball zu entwickeln, wäre ich mehr als nur zufrieden. Meine Visionen gehen sogar so weit, dass bei Beleidigungen und Verunglimpfungen durch Vereinszugehörige eines Vereins im Spielbetrieb nicht das geschädigte Team ein Spiel beendet, sondern das Team, dessen Anhang die Grenzen des Respekts überschreitet.

HFV-Info: Gibt es weitere Kooperationspartner für das Projekt?

Rolf Ludwig: Finanzielle Unterstützung erhalten wir zusätzlich auch von der Kreissparkasse Harburg-Buxtehude, die sich hier in Harburg und Umland sehr für den Sport engagiert. Und natürlich St. Pauli-Jungprofi Igor Matanovic, der sich als Harburger Jung sofort bereit erklärt hatte, als Projektpate zur Verfügung zu stehen.

HFV-Info: Wie ist das Projekt angelaufen?

Willy Wilkens: Wir haben diverse Projektideen gesammelt, eine Steuerungsgruppe aus Vereinsvertretern und möglichst vielen Beteiligtengruppen (Vorstände, Trainer, Schiris etc.) zusammengestellt, die Projekt- und Arbeitstitel erarbeitet und dann im Herbst 2021 mit den ersten Aktionen losgelegt. Gestartet wurde mit einer „Fit für Fairplay“-Veranstaltung beim FC Süderelbe und einer „Spieltagsbeobachtung“ auf dem Kiesbarg. Zudem trifft sich die Steuerungsgruppe alle 3 Monate, um die durchgeführten Projekte zu bewerten sowie neue Anregungen und Ideen einzuspeisen.

Wilfried „Willy“ Wilkens koordiniert das Präventions-Team im HFV und ist Mitglied im Verbands-Lehrausschuss des HFV – Foto HFV

HFV-Info: Welche oder wie viele Vereine beteiligen sich?

Rolf Ludwig: Wir haben die Harburger Vereine in fünf Gruppen unterteilt und geschaut, dass jede dieser Gruppen in der Steuergruppe vertreten ist. Wichtig war auch die aktive Einbindung hier ansässiger monoethnischer Vereine sowie die Mitarbeit Este’s, die ja aus einem eher ländlichen und kleinstädtischen Umfeld kommend, einen anderen Blick auf das Ganze haben als jene, die in Harburg-Mitte oder der Süderelbe-Region wohnen. Gegenwärtig sind in der Steuergruppe mit HTB und Süderelbe zwei breit aufgestellte, mit FSV Harburg-Rönneburg und Altenwerder zwei größere, mit Türksport, Este und Bostelbek drei mittelgroße und mit Dersimspor und Zonguldakspor zwei der kleineren Clubs aktiv dabei. Hinzu kommt der Bezirks-Schiedsrichterausschuss (BSA) Harburg, denn die Mitwirkung der Schiris mit ihrer Sicht aufs Spiel ist für uns sehr wertvoll.

HFV-Info: Was ist für die nähere Zukunft geplant?

Rolf Ludwig: Wir haben gerade an alle Vereine knapp 3000 Trainingsleibchen mit dem Projektnamen verteilt. Ich bin schon sehr gespannt, wie die Resonanz insbesondere auf das Wörtchen „Anstand“ ausfällt. Dieses Wort hatten wir intern heiß diskutiert, weil es im Sprachgebrauch nur noch sehr selten verwendet wird. Aber mit dem Wort „Anstand“ lässt sich am besten ausdrücken, was wir gerne sehen wollen: Sportlich fair und respektvoll auf und neben dem Platz, ohne unnötige Provokationen und verdeckte Aktionen unsportlicher Natur.

Willy Wilkens: Wir bieten allen Vereinen die klassischen Unterstützungsformate in Form von „Trainer- und Betreuer Kurzschulungen“ sowie „Fair-Play-Trainings für die Teams“ an. Aber soweit Vereine mit ganz speziellen Wünschen an uns herantreten, werden wir gemeinsam mit den Vereinen auch diese angehen können. Dafür haben wir hier Zeit und Raum.

Der Höhepunkt des Jahres wird sicher das geplante „Demokratiecamp“ in den Herbstferien 2023, an dem 30 junge Fußballer*innen im Alter von 13 – 15 Jahren teilnehmen können. Geplant ist eine Sportschule in Norddeutschland in der 2. Herbstferienwoche. Darauf bin ich besonders gespannt.

HFV-Info: Welche Wünsche habt ihr für die nähere Zukunft?

Rolf Ludwig: Ich hoffe, dass sich die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung bei den Vereinen dauerhaft hochhalten lässt und man demnächst spürt, dass sich etwas zum Positiven geändert hat. Vielleicht nimmt ja auch noch ein weiterer Hamburger Bezirk oder auch jemand außerhalb unserer Stadt von diesem Projekt Kenntnis und lässt sich inspirieren, es uns gleich zu tun.

Willy Wilkens: Ich würde mir insbesondere wünschen, dass noch mehr Vereine das Angebot nutzen. Es gibt noch einige Vereine bzw. Teams, die im HFV bereits durch ihr Verhalten im Spiel negativ aufgefallen sind und die wir noch nicht erreicht haben. Ich würde mir wünschen, dass dieses Unterstützungsangebot hier mehr genutzt wird, bevor es zu Verletzungen, Spielabbrüchen und Strafen kommt. Durch die „Spieltags-Beobachtungen“ können auch wir auf diese Vereine zugehen, besser fände ich es jedoch, wenn die Vereine proaktiv auf das Projekt zukommen würden.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg mit diesem spannenden Projekt!

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