Fit für Fairplay: Gemeinsamer Coolnesstag des FTSV Altenwerder und des Harburger TB

Es passierte zum Finale der Saison 2012/13. Im letzten Spiel der U17-Teams von HTB 2 und Altenwerder 1 hatten beide Teams noch Chancen auf die Staffelmeisterschaft. 80 Minuten lang duellierten sich beide Mannschaften weitestgehend im Rahmen der sportlichen Grenzen, doch mit dem Abpfiff eskalierte die aufgeheizte Stimmung, es kam zur Rudelbildung. Der Schiedsrichter erfasste dabei nur jeweils einen Spieler beider Teams in seinem Sonderbericht, doch gemäß der vorliegenden Aussagen bei der im August stattfindenden JRA-Verhandlung hatten darüber hinaus noch weitere Spieler und Personen im Umfeld der Teams die Grenzen der Sportlichkeit überschritten.

Unmittelbar nach der Urteilsverkündung mit mehrmonatigen Sperren wegen Tätlichkeiten beschlossen die anwesenden Vereinsvertreter angesichts des kurz bevorstehenden nächsten Duells beider Mannschaften in der U19-Bezirksliga, noch vorher einen gemeinsamen Coolnesstag durchzuführen. Ein Termin 7 Tage vor dem erneuten Aufeinandertreffen wurde gefunden und Spieler beider Teams durch das HFV-Präventionsteam darauf geschult, wie sie mit aufkommenden Aggressionen im Spiel besser fertig werden können als ein Vierteljahr zuvor.
Am 21.9.2014 um 9 Uhr erschienen dann immerhin jeweils gut 10 Spieler auf freiwilliger Basis im Sportpark Jahnhöhe, wobei allen Teilnehmern ins Gesicht geschrieben stand, dass man sich lieber im heimischen Bett befunden hätte. Aber bereits diese Anzahl konnte dazu dienen, die Mannschaften einander so nah zu bringen, dass das am 29.9. angesetzte Spiel gegeneinander in einer weitaus friedlicheren Atmosphäre stattfinden würde. Mit eindringlichen Worten zur Erwartung der Vereine an die knapp zwei Dutzend Teilnehmer startete ein Schulungstag, der anfangs getrennt und später gemeinsam durchgeführt wurde.

Am Samstag, den 21.09.,. morgens 9.00 Uhr, trafen sich unsere A-Jugend und die A-Jugend vom HTB auf der Jahnhöhe in Harburg. Mit dabei war ein Referenten-Team vom HFV und die Trainer bzw. Co-Trainer beider Mannschaften.

Vorausgegangen war ein Zwischenfall im Meisterschaftsspiel vor den Sommerferien, wo sich einige Jungs „grob unsportlich“ verhalten haben. Nach der Verhandlung wurde von den Verantwortlichen beider Vereine beschlossen, den in dieser Form bisher einmaligen Coolnesstag, der sonst für beide Mannschaften getrennt stattfinden würde, zusammen zu veranstalten.
Dies hat in der Regel natürlich eine gewisse Brisanz, aber durch Gespräche mit allen Beteiligten im Vorwege kamen wir zu dem Ergebnis, dass eine echte Veränderung, die 16-17 jährigen Jugendlichen wieder auf den richtigen Weg des fairen Fußballsports zu bringen, nur durch eine direkte „Konfrontation“ mit der gegnerischen Mannschaft, zum Erfolg führen würde.
Der Jugendleiter des HTB, Rolf Ludwig, und Vorstandsmitglied Kai Schaumann hielten eine kleine Ansprache zum Auftakt und wünschten den Mannschaften viel Erfolg.
Kurz zusammengefasst wurde an dem Tag, der bis um 17.00 Uhr ging, ca. 1,5 Stunden lang das Aufstellen von Mannschaftsregeln während des Spiels geübt, ca. eine Stunde lang Anti-Aggressionsübungen, ca. eine Stunde Selbsteinschätzung der Spieler, dann ca. eine Stunde das Spiel nochmal aufgearbeitet und am Nachmittag ging es endlich raus auf dem Platz zum Spielen – aber in gemischten Mannschaften!
Fazit: Ein harmonischer Tag, der Respekt abverlangt und der wieder zeigt, dass unsere Jungs sich solchen Situationen trotz ihres noch jungen Alters stellen und gewillt sind dazuzulernen…
Danke an alle, die mitgeholfen haben, dass dieser Tag stattfinden konnte und Danke an alle jugendlichen Teilnehmer, dass ihr mitgemacht habt. (Autoren: Kai Schaumann und Gerd Wiggert)

Anfänglich war die Skepsis hierbei unter den Spielern groß, Kommentare wie „Was sollen wir denn da? Das bringt doch nichts…!“ waren die Regel… Obwohl auf freiwilliger Basis, kamen dann doch ein Dutzend Spieler zur Veranstaltung. Nach einleitenden Worten und der Vorstellung des HFV-Teams wurden die für diesen Tag geltenden Regeln gemeinsam festgelegt. Dann ging’s los, zuerst zäh, schläfrig und zurückhaltend, aber im Laufe der Zeit taute die HTB-Gruppe auf und es herrschte rege Mitarbeit.
Nach der Mittagspause wurden dann beide Gruppen zusammengeführt und den Spielern beider Teams wurde Gelegenheit gegeben, die Vorkommnisse vom Juni Revue passieren zu lassen. Dabei kam es zu erstaunlichen Schilderungen, in denen viele Dinge verharmlost und verdrängt schienen, die an diesem Tage zur Eskalation auf und neben dem Platz geführt hatten. Im abschließend mit gemischten Teams durchgeführten Praxisteil mit Spiel verlief es geradezu im Kuschel-Modus ab. Der Spaß am Fussi dominierte alle vorher noch bestandenen Rivalitäten und Konflikte.
Die Nagelprobe folgte dann ein Wochenende später, als beide Mannschaften erneut um Punkte gegeneinander antreten mussten. Allerdings ging es diesmal nicht um eine Staffelmeisterschaft, beide Mannschaften waren mehr schlecht als recht in die Aufstiegsstaffel gestartet. War das bereits die Wirkung des Coolnesstags? Oder lag es daran, dass es um weit weniger ging? Wie auch immer, vom Spielfeldrand aus wurde auch in diesem Spiel Unruhe rein getragen, aber beide Teams blieben an diesem Tage davon unbeeindruckt und brachten sportlich faire 90 Minuten zustande. Sobald sich ein Mitspieler im Grenzbereich bewegte, wurde er von seinen Mitspielern ‚geerdet‘, nach Fouls gab es Shakehands und mit dem Schlusspfiff wurden auch alle Konfliktpotenziale des vorangegangenen Spiels befriedet. Besonders erwähnenswert ist seither, dass einige Spieler der ‚Stillen Fraktion‘ inzwischen das Selbstvertrauen aufbringen, die zeitwillig hitzköpfigen Mitspieler zu reglementieren, ein Umstand, der ohne Coolnesstag nicht vorstellbar gewesen wäre. Und hierdurch belegt sich ein Nachhaltigkeitseffekt, den sich kurz zuvor niemand hätte träumen lassen.
Die HTB-Mannschaft und ihr Betreuer möchten sich beim HFV-Präventionsteam gaaanz herzlich dafür bedanken, dass hier eine tolle Arbeit erbracht wurde, die dermaßen schnell die gewünschten Früchte und darüber hinaus sogar noch viel, viel mehr bewirkt hatte. Speziell die erworbene Einsicht, dass JEDER auf oder neben dem Spielfeld eine Verantwortung für die Einhaltung von Fairness und Sportlichkeit trägt, hat schon jetzt zu einem positiven Umdenken geführt und scheint bereits in der Mannschaft verankert. – Tolle Arbeit!

„Als ich an diesem Samstagmorgen zur Jahnhöhe fuhr, tat ich dies mit gemischten Gefühlen. Noch nie wurden zwei Mannschaften, die bei einem Spiel aneinander geraten waren, gemeinsam an einem Coolnesstag gecoacht. Es sollte sich zeigen, dass meine Zweifel unbegründet waren.
Unser Team: Kerstin Stutte, Anne Köntges, Carsten Wichers und ich, hatten uns im Vorwege beraten und mit je zwei Trainern für jede Mannschaft aufgeteilt. Im Laufe des Vormittags, den die Mannschaften zum Teil getrennt erlebten, wurde schnell deutlich, dass ein großes Potential an Erfahrungsbereitschaft vorhanden war. Dieser Tag war eine gute Chance zur Aufarbeitung von Fehlverhalten, Lernerfahrung und jeder Menge Spaß.
Nach dem Mittagessen mischten wir beide Mannschaften und ließen sie das tun, was sie am liebsten wollten, Fußball spielen. Ohne Schiedsrichter (sie sollten lernen Grenzfälle selbst zu entscheiden) und Provokationen durch die Trainer (cool bleiben und Handlungsalternativen aufzeigen) hatten alle einen großen Spaß und setzten gelerntes vom Vormittag in die Praxis um.
Diese Idee, zwei „rivalisierende“ Mannschaften zusammen zu coachen, war ein großer Erfolg und ich kann nur allen Jugendwarten, Trainern und Betreuern anderer Vereine raten, es den Verantwortlichen des HTB und des FTSV Altenwerder gleich zu tun. Nutzt das Angebot des HFV und meldet eure Jugendmannschaften zum Coolnesstag „Fit für Fair Play“ an. So kann jeder einen Beitrag zu mehr Fairness und Sportlichkeit im Fußball beitragen.
Mein Dank geht an die Verantwortlichen der beiden Vereine, die die Idee, den Mut und die Einsatzbereitschaft für solch eine ungewöhnliche Maßnahme hatten. Dank auch an die Mannschaften für ihr frühes Erscheinen, die Bereitschaft sich auf ungewöhnliche Übungen einzulassen und die große Reflektionsbereitschaft. Und „last but not least“, an ein hervorragendes Team, das mit Flexibilität, Ideen und Engagement diesen Tag zu einem außergewöhnlichem gemacht hat.“

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