„Es geht um unsere Werte“: Julius Hirsch Preis in Dresden verliehen

3. Platz für Netzwerk E aus Hamburg

Das erfolgreiche Team Netzwerk E vom HSV mit der Urkunde. Jens Bendixen-Stach (rechts), Mitglied im Kuratorium der DFB-Kulturstiftung und HFV-Präsidiumsmitglied beglückwünschte das Team – Foto HFV

Bernd Neuendorf hat in Dresden über die weltweite Bedeutung des Fußballs gesprochen und dabei auch auf eine daraus erwachsende Verantwortung hingewiesen. „Der Fußball begeistert Menschen auf der ganzen Welt. So ein Verein wie Blau-Weiß Grana lebt das exemplarisch vor. Davon wünsche ich mir mehr, denn der Fußball ist für alle da“, sagte der DFB-Präsident im Lichthof des Albertinum in Dresden, wo am Montagabend der diesjährige Julius Hirsch Preis verliehen wurde. Der 1. Preis des Jahres 2022 ging an einen Kreisligaklub aus dem Burgenland – den SV Blau-Weiß Grana.

DFB-Präsident Bernd Neuendorf © 2022 Getty Images

250 Gäste aus Dresdens Sport, Kultur und Politik wohnten der 90-minütigen Auszeichnung im Lichthof der Kunstsammlung Albertinum bei. Für die Laudatio auf den Preisträger war trotz Sitzungswoche in Berlin der SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert nach Dresden gekommen. „Zusammenhalt entsteht nicht, wenn man darüber spricht, Zusammenhalt kann auch nicht beschlossen werden. Zusammenhalt entsteht immer dann, wenn Menschen gemeinsam für etwas einstehen, weil es richtig ist, weil es menschlich ist.“ Als es im Sommer 2019 nach einem Pressschlag zu schwersten Anfeindungen gegen einen aus Gambia stammenden Spieler kam, hatte sich der Verein an die SPD gewendet, einfach weil ein Cousin von Granas Kapitän im Pressestab der SPD arbeitete. In seiner Laudatio sprach Kühnert auch deutlich die Hetze an, die Grana damals erleben und durchstehen musste, beteiligt auch Tageszeitungen aus der Region. „Das war eine Rufmordkampagne“, klagte Kühnert an und kritisierte auch die zunächst ausbleibende Unterstützung der Verbände. Kühnert: „Blau-Weiß Grana ist nicht eingeknickt, in einem Moment als es um Alles ging. Es ging um unsere Werte.“

Der SV Blau-Weiß Grana aus einem Ortsteil der Gemeinde Kretzschau bei Zeitz im Burgenlandkreis setzt sich seit vielen Jahren für die Integration von geflüchteten und sozial benachteiligen Menschen ein. In der ersten Mannschaft des Kreisligisten spielen Fußballer aus zwölf Nationen. Überregional bekannt wurde Blau-Weiß Grana nach der Ausstrahlung der vierteiligen MDR-Dokumentation „They call us Ausländerteam“, die alleine auf YouTube bis heute 160.000 Abrufe registrierte. Dank der verbindenden Kraft des Fußballs fanden die Spieler von Blau-Weiß Grana trotz zum Teil massiver Widerstände in der kleinen Ortschaft Grana ein funktionierendes Stück Heimat.

Foto GettyImages

Sasic: „Ein wichtiger Beitrag für unser Gemeinwohl“

„Alle unsere Preisträger haben mich begeistert“, sagte Celia Sasic, die als Jurymitglied des Julius Hirsch Preises an der Seite des DFB-Präsidenten die Auszeichnungen überreichte. Die Champions-League-Siegerin und Torschützenkönigin 2015 gehört dem DFB-Präsidium an und verantwortet dort den Bereich „Vielfalt“. „Alle diesjährigen Preisträger leisten einen wichtigen Beitrag für unser Gemeinwohl“, sagte Sasic weiter.

Mit dem zweiten Preis zeichnete die Jury den Dachverband Lernort Stadion e.V. aus Berlin aus, der niedrigschwellige Bildungsangebote für Jugendliche in Fußballstadien unterbreitet. An 24 Lernorten werden bundesweit im Umfeld sozialpädagogischer Fanprojekte, Profiklubs und Stadien verschiedene Projekte unter anderem in den Bereichen Teilhabe, Partizipation, Vielfalt und Extremismus-Prävention durchgeführt.

Paula Scholz vom Netzwerk E aus Hamburg – Foto GettyImages  

3. Preis für das Netzwerk E aus Hamburg

Das Netzwerk Erinnerungsarbeit (Netz E), ein Zusammenschluss von Fans, wurde als dritter Preisträger für seine intensive und nachhaltige Erinnerungsarbeit ausgezeichnet.

Zum Video über die Arbeit vom Netzwerk E geht es HIER

Der diesjährige Ehrenpreis der Jury ging an Burak Yilmaz. Der in Duisburg als Sohn türkisch-kurdischer Eltern geborene Pädagoge und Autor veranstaltet Workshops und hält Vorträge zu den Themen Antisemitismus, Erinnerungskultur und Rassismus und ist unter anderem für den Bundesbeauftragten gegen Antisemitismus beratend tätig.

Ein Vorfall in der Regionalliga West am Wochenende machte einmal mehr die Bedeutung des Preises deutlich. Der Schiedsrichter Noah Besong wurde laut eigener Aussage beim Verlassen des Platzes nach Abpfiff der Partie SG Wattenscheid gegen Rot-Weiß Oberhausen von einem Zuschauer rassistisch diskriminiert. Besong hat Anzeige erstattet, die SG Wattenscheid hatte sich noch am Sonntagabend entschieden distanziert und ein Stadionverbot angekündigt.

Roth: „Der Fußball ist so viel mehr als 90 Minuten“

Julius Hirschs Enkel Andreas konnte aufgrund einer Erkrankung erstmals seit Beginn des Preises im Jahr 2005 nicht an der Preisverleihung teilnehmen. „Durch die Arbeit der Preisträger wird bewiesen, dass gerade der Fußball für unsere Demokratie einstehen kann, gegen die alten und die neuen Nazis“, sagte der Karlsruher Geschäftsmann mittels einer Videobotschaft, die im Rahmen der Verleihung gezeigt wurde. „Der Fußball ist so viel mehr als 90 Minuten, er ist eine sehr starke Bindekraft in unserer Gesellschaft, das wurde heute Abend wieder einmal sehr deutlich“, sagte Staatsministerin Claudia Roth auf der Bühne des Albertinum.

Julius „Juller“ Hirsch zählte vor dem Ersten Weltkrieg zu den bekanntesten Fußballern in Deutschland. Der deutsche Nationalspieler jüdischen Glaubens wurde mit dem Karlsruher FV und der Spielvereinigung Fürth Deutscher Meister. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 begann für Julius Hirsch – wie für Millionen weiterer Opfer der NS-Diktatur – ein Leidensweg, auf dem er gedemütigt, entrechtet und verfolgt wurde. Im März 1943 wurde Julius Hirsch in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und dort ermordet. [th/dfb.de/cb]

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