Die Sechserfahrgemeinschaft „Nord-Süd“ und Spitzenfußballanalyse in Tallin

Zehn Monate an der Hennes-Weisweiler-Akademie sind zu Ende gegangen, der 59. Fußball-Lehrer-Lehrgang ist Geschichte. Am 27.03.2013 hat DFB-Ausbildungsleiter Frank Wormuth den frisch gebackenen Elitetrainern ihre Lizenzen überreicht und sie in die Zukunft entlassen.Einer von ihnen ist Björn Müller. Im HFV-Info Interview spricht der HFV-Lehrreferent und Auswahltrainer über die Zeit in Hennef.

Hallo Björn. Bist Du froh, ab sofort nicht mehr die Schulbank drücken zu müssen?
Björn (lacht): In erster Linie bin ich froh, dass wieder etwas Normalität und ein geregelter Ablauf in mein Leben kommt. Die letzten 10 Monate waren schon eine besondere Zeit. Nicht nur für mich, auch für meine Familie. Mal wieder auf der anderen Seite zu sitzen und nicht als Lehrender, sondern als Lernender im Hörsaal zu sitzen war eine angenehme Situation und fiel mir nicht schwer. Als dann die ersten Modultests und letztendlich die Abschlussklausuren anstanden, für die man natürlich lernen musste, habe ich schon gemerkt, dass mein Sportstudium und die letzte richtige Lernphase bereits 10 Jahre zurückliegen. Da musste auch ich erst wieder in einen Lernmodus reinkommen. Letztendlich bin dem Hamburger Fußball-Verband unheimlich dankbar, dass er mir diese Möglichkeit gegeben und mich unterstützt hat. Das rechne ich dem Präsidium hoch an.

Wie hast Du den Lehrgang erlebt?
Vor allem war es eine unglaublich intensive Zeit. Wenn Du 24 Wochen des Jahres von Sonntag bis Mittwoch in Hennef in der Sportschule lebst und Dich von 8 Uhr bis teilweise spät abends mit allen Facetten des Fußball befasst, klingt das nicht nach Urlaub. Hinzu kommen die Praktikumsphasen beim Profiverein und im Verband sowie der Besuch der U19 EM in Estland und ein Rhetorikseminar, plus die Vor- und Nachbereitung der Lehrgangsinhalte. Die Inhalte des Lehrganges sind auf einem Top-Niveau. Wir haben als Gruppe im Lehrgang, welche sich als sehr harmonisch herausgestellt hat, also unheimlich viel erlebt und eine tolle Zeit gehabt. Es war eine hohe Anzahl von Ex-Bundesligaprofis im Lehrgang. Doch niemand war dabei, der abgehoben aufgetreten ist. Jeder im Team wurde von der ersten Minute an voll akzeptiert. Die Kernfächer Fußball-Lehre, Trainingslehre und Sportpsychologie waren von Beginn an sehr interessant. Auch die Fächer Regelkunde und Ernährungslehre haben sich als wichtig herausgestellt. Der Mix aus Vorträgen, Gruppenarbeiten und Anwendung war stets gegeben. Und so detailliert und intensiv, wie wir die Inhalte teilweise bis in alle Einzelteile zerlegt haben, gibt es mir eine andere Perspektive auf den Fußball und auf die Aufgaben eines Fußball-Lehrers, als ich sie im Vorfeld hatte. Es hat unheimlich viel Spaß gemacht, sich mit unserem liebsten Thema, dem Fußball, auseinanderzusetzen. Und es war wahnsinnig lehrreich.

Könntest Du sagen, welches Deine Highlights in den letzten 10 Monaten waren?
Puh, das ist schwer. Es waren sehr viele. In Erinnerung bleiben die Fahrten. Wir sind sehr häufig zu sechst in einem Bus am Sonntag um 18 Uhr losgefahren und irgendwann am späten Mittwochabend wieder in Hamburg angekommen. Thomas Meggle, Jörn Großkopf, Dietmar Hirsch, Björn Rädel, Ramazan Yildirim und ich bildeten die neue „Nord-Süd-Linie“. Diese „Fahrgemeinschaft“ hat es uns allen ein wenig leichter gemacht, die ca. 450 km pro Strecke Woche für Woche zu meistern. Ein absoluter Höhepunkt war die Spitzenfußballanalyse bei der U19 EM in Tallinn (Estland). Diese Phase lag gleich zu Beginn des Lehrganges und wir sind dort als Gruppe unheimlich zusammengewachsen. Neben den Analysen der EM Spiele, dem täglichen Unterricht und stundenlangen Gruppenarbeiten vor unseren Laptops haben wir es uns natürlich nicht nehmen lassen, an den Abenden die Altstadt von Tallinn zu „analysieren“. Ein weiteres Highlight ist, schlicht und ergreifend, beim Fußball-Lehrer-Lehrgang überhaupt dabei gewesen zu sein. Es geschafft zu haben, in einen Elitelehrgang mit 25 Teilnehmern aufgenommen zu werden und sich tagtäglich konstruktiv über Situationen im Fußball zu unterhalten, über die ich im Vorfeld nicht einmal nachgedacht habe. Nicht selten haben wir Teilnehmer auch während des Lehrganges noch über die brutal schwierige Aufnahmeprüfung gesprochen. Das war im Prinzip die größte Hürde überhaupt, sich gegen ca. 70 andere Kandidaten durchgesetzt zu haben.

Dein Praktikum bei Borussia Dortmund bleibt Dir wahrscheinlich ebenfalls in guter Erinnerung?
Natürlich. Diese insgesamt 9 Wochen bei den Profis des BVB sind eine geile Zeit gewesen. Jürgen Klopp gewährte mir Einblicke in nahezu alle Bereiche seines Aufgabengebietes. Er hat mir von Beginn an das Gefühl vermittelt, dass ich willkommen bin und so konnte ich mich innerhalb des BVB-Profiteams frei bewegen. Neben den täglichen Trainingseinheiten durfte ich Spielanalysen beiwohnen, hatte zahlreiche Gespräche mit dem Trainerteam und war sogar in jedem Wettbewerb bei einem Spiel auf der BVB Bank. Gegen Oberneuland im DFB Pokal, gegen Borussia Mönchengladbach in der Bundesliga und gegen Manchester City in der Champions League. Ich bin mit nach Manchester geflogen und habe sämtliche Abläufe rund um das Spiel miterlebt inkl. Abschlusstraining am Vorabend im Stadion. Bei all diesen Spielen durfte ich selbst die Halbzeitansprache in der Kabine verfolgen. Gerade in Manchester dachte ich, ich bin im falschen Film. Es war wie im Traum. Das ich dann auch noch 10 Tage mit ins Trainingslager nach Spanien (La Manga) fliegen durfte, rundete das Praktikum mit allen seine Facetten dann noch ab. Es war faszinierend zu sehen, mit welcher Qualität der BVB Kader ausgestattet ist. Da war jede Trainingseinheit ein Genuss, Spielern wie Reus, Götze, Lewandowski, Hummels und all den anderen zuzuschauen. Aus Trainersicht war es aufschlussreich, wie Klopp sein Team führt und gemeinsam mit seinem Trainerteam die Spielphilosophie an die Mannschaft vermittelt.

Bist Du schon wieder im Alltag angekommen?
Wir haben ja gerade erst unsere Urkunden überreicht bekommen. Diese Abschlussveranstaltung war übrigens ebenfalls ein Höhepunkt für alle Absolventen. Der DFB macht da keine halbe Sachen und hat einen festlichen Rahmen geschaffen. An diesem Abend ist uns noch einmal vor Augen geführt worden, welche Reichweite die Absolvierung des Lehrganges hat. Somit geht der Alltag jetzt erst wieder los und ich sortiere mich. Meine Frau und unser fast dreijähriger Sohn sind froh, dass Papa wieder öfter zu Hause ist. Meine Kollegin Monika Lehmhagen, bei der ich mich in höchstem Maße für die Unterstützung bedanken möchte, wird ebenfalls froh sein, dass ich nun wieder 100% meiner Arbeitskraft dem Verband widmen kann.

Was steht jetzt bei Dir an?
Im Prinzip geht es sofort wieder Schlag auf Schlag. Im Büro müssen einige Sachen aufgearbeitet werden. Im April beginnt mit der C-Lizenz unsere höchste Ausbildung auf Landesebene. Uwe Jahn (HFV-Verbandssportlehrer) würde gerne einige Inhalte aus dem Fußball-Lehrer-Lehrgang integrieren. Mit der HFV Auswahl Jahrgang 96, die ich trainiere, werden wir Ende April für vier Tage zu zwei Vergleichsspielen nach Kopenhagen reisen. In den Trainingseinheiten und Spielen gilt es, das Erlernte jetzt anzuwenden. Darauf freue ich mich.

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