Der Mindestlohn ab 01.01.2015 im Verein/Verband

Oder: Ein Fallstrick neben dem anderen
von Rechtsanwalt Patrick R. Nessler, St. Ingbert*

Der Gesetzgeber hat in dem ab dem 01.01.2015 geltenden Mindestlohngesetz (MiLoG) festgelegt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung eines Arbeitsentgelts mindestens in Höhe des Mindestlohns von 8,50 Euro brutto je Zeitstunde durch den Arbeitgeber hat (§ 1 MiLoG). Das gilt grundsätzlich auch für Beschäftigungsverhältnisse bei Vereinen, Verbänden und Stiftungen.

Nach § 22 Abs. 3 MiLoG ausdrücklich nicht geregelt ist die Vergütung von „ehrenamtlich Tätigen“. Davon abgesehen, dass außerhalb der Politik in der Welt der Non-Profit-Organisationen die Begriffe „Vergütung“ und „ehrenamtlich“ eigentlich als gegensätzlich verstanden werden, bleibt offen, welche Personen „ehrenamtlich tätig“ sein. Dies ist gesetzlich nicht geregelt.

Richtig ist, dass der Bundestag folgenden Beschluss (BT-Drs. 18/2010 v. 02.07.2014) gefasst hat, der aber nicht Bestandteil des MiLoG ist:

„Die Koalitions-Fraktionen sind mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales darin einig, dass ehrenamtliche Übungsleiter und andere ehrenamtlich tätige Mitarbeiter in Sportvereinen nicht unter dieses Gesetz fallen. Von einer „ehrenamtlichen Tätigkeit“ im Sinne des § 22 Absatz 3 MiLoG ist immer dann auszugehen, wenn sie nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt ist, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Liegt diese Voraussetzung vor, sind auch Aufwandsentschädigungen für mehrere ehrenamtliche Tätigkeiten, unabhängig von ihrer Höhe, unschädlich. Auch Amateur- und Vertragssportler fallen nicht unter den Arbeitnehmer-Begriff, wenn ihre ehrenamtliche sportliche Betätigung und nicht die finanzielle Gegenleistung für ihre Tätigkeit im Vordergrund stehen.“

Entscheidend ist nach diesem Beschluss für die „Ehrenamtlichkeit“, dass sie nicht von der Erwartung einer adäquaten finanziellen Gegenleistung, sondern von dem Willen geprägt ist, sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Völlig unbeantwortet bleibt gesetzlich die Frage, wann dieser Wille gegeben oder nicht gegeben ist. Schließlich dürfte sich der Willen bei dem jeweiligen Beschäftigten bilden und ist objektiv eigentlich nicht nachprüfbar.

Der Beschluss regelt nach seinem Wortlaut nur die Beschäftigungsverhältnisse der „Sportvereine“. Ob diese Ausführungen sinngemäß auf z. B. kulturelle oder caritative Organisationen anzuwenden sind bleibt offen.

Inzwischen wird von Fachverlagen und Vereinen/Verbänden kommuniziert, dass mit diesem Beschluss alle Beschäftigungsverhältnisse vom Mindestlohn ausgenommen sind, bei denen die dafür gezahlten Entgelte steuerfrei sind (z. B. „Übungsleiterpauschale“, „Ehenamtspauschale“). Diese Behauptung findet im Gesetz -leider- keine Stütze. Diese Einordnung wäre aber auch dann nicht hilfreich, wenn die Organisation nicht wegen der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke steuerbegünstigt ist. Trotzem gibt es auch in diesen Organisationen „ehrenamtliche Tätigkeit“. Außerdem regeln § 3 Nr. 26 bis Nr. 26b EStG (neben anderen Bestimmungen) lediglich, ob entsprechende Einkünfte zu besteuern sind. Ob ein vergütungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, ergibt sich daraus nicht, sondern dieses ist Voraussetzung, dass an den Beschäftigten des Vereins überhaupt etwas gezahlt werden muss.

Doch selbst, wenn sich diese Auffassung bezüglich der ehrenamtlich Tätigen durchsetzen würde, bleiben für den Verein gefährliche Risiken.

Wenn z. B. die Vergütung eines Beschäftigten die entsprechenden Steuerfreibeträge übersteigt (z. B. Übungsleiter erhält mehr als 2.400,00 € im Jahr), dann ist wegen der Unteilbarkeit des Beschäftigungsverhältnisses die gesamte Summe am MiLoG zu messen.

Demnach kann man derzeit nur von einer vorläufigen Entwarnung reden und muss die Entwicklung durch die Rechtsprechung abwarten. Jedenfalls hat der Gesetzgeber mal wieder „handwerklich“ schlecht gearbeitet und das obwohl er zuvor auf diese Problematiken hingewiesen worden ist.

Schließlich hat dieser Beschluss für die Justiz keine Bindungswirkung. Deshalb kann z. B. nach dem 01.01.2015 in einem Gerichtsverfahren zwischen einem Übungsleiter, Trainer, Sportler etc. und einem Verein das Gericht die Auffassung vertreten, dass das gezahlte Entgelt gegen die „Ehrenamtlichkeit“ spricht und diesem der Mindestlohn zusteht.

Ich rate deshalb jeder Non-Profit-Organisation dringend, diese Problematik im Fokus zu behalten und seine eigene Beschäftigtenstruktur -gegebenenfalls mit fachkundiger Hilfe- genauestens zu prüfen, ob gegenläufige Maßnahmen erforderlich sind.

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Akademien und für eine ganze Reihe von Organisationen.
Rechtsanwalt Nessler ist ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt der Landesverbände Rheinland-Pfalz und Saarland der Kleingärtner u.a.

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