Sitzung vom 11.5.2015
Betrifft: Berufung ASV Hamburg gegen das Urteil des Sportgerichts vom 14.4.2015 betreffend die Vorfälle nach dem Spiel Nummer 031 004 164 vom 29.3.2014 zwischen ASV Hamburg und Spvg. Este 06/70:
1. Sperre des Spielers Hakan Ucan für 3 Pflichtspiele / 3 Wochen nach Ablauf der Bewährungsstrafe des Verbandsgerichts vom 15.4.2015
2. Geldstrafe von 1.500,00 € wegen unsportlichen Verhaltens von Vereinsmitgliedern und / oder Vereinsanhängern, mangelhaftem Ordnungsdienst sowie unzureichende Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung
3. Abzug von 6 Punkten unter Bewährungsauflage ( Benennung der Person, die den Schiedsrichter zu Boden geschubst hat )
4. Verbandsaufsicht bei Heimspielen bis zur Beendigung der Serie
5. Einziehung der Kennung des Shafiq Kohistani )
1.) Auf die Berufung wird das Urteil des Sportgerichts bezüglich der Ziffern 3 und 4 aufgehoben. Insoweit wird das Verfahren wegen Erledigung eingestellt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.Dem Berufungsführer wird nachgelassen, die Geldstrafe von 1.500,00 € in 5 monatlichen Raten zu je 300,00 € beginnend ab 1.6.2015 zu zahlen.
2.) Die Berufungsgebühr ist verfallen. Die Verfahrenskosten in Höhe von 50,00 € trägt der Berufungsführer.
3.) Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Die zulässige Berufung ist, soweit nicht Erledigung durch Zeitablauf eingetreten ist, unbegründet.
Nach erneuter Beweisaufnahme steht für das Verbandsgericht folgender Sachverhalt zweifelsfrei fest:
1. Die Vernehmung des Schiedsrichters hat ergeben, dass sich der Spieler Ucan unmittelbar nach dem Schlusspfiff zum Schiedsrichter begeben hatte und diesen u.a. lautstark mit dem Wort „Nazi“ beleidigte. Der Schiedsrichter hatte diese Angaben sowohl in seinem Spielbericht als auch bei seiner Vernehmung vor dem Sportgericht getätigt. Die Aussage war in sich widerspruchsfrei. Der Schiedsrichter war auch glaubwürdig. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum der Schiedsrichter die Unwahrheit gesagt haben könnte. Der Einwand des Berufungsführers, der Spieler Ucan sei nicht näher als 5 Meter an den Schiedsrichter herangekommen und die Äußerung sei durch einen anderen Spieler erfolgt sein, wertet das Verbandsgericht als reine Schutzbehauptung. Der Schiedsrichter hatte genau gesehen, dass der Spieler ihn als „Nazi“ titulierte. Er hat den gesamten Vorgang nachvollziehbar geschildert. Der Spieler, der die Äußerung nach den Ausführungen des Berufungsführers angeblich getätigt haben sollte, wurde weder in den zwei Terminen vor dem Sportgericht noch im Termin vor dem Verbandsgericht gestellt. Der Einwand, der Schiedsrichter habe die angezeigte Nachspielzeit nicht eingehalten, sondern das Spiel vorzeitig beendet, rechtfertigt keine verbalen Angriffe auf den Schiedsrichter.
Die Beschimpfung als „Nazi“ stellt eine grobe Beleidigung des Schiedsrichters und damit als grobe Unsportlichkeit gemäß § 32 (12) RuVO dar. Als Diskriminierung i.S. des § 34 (2) RuVO ist dieses nach allgemeiner Rechtsprechung jedoch nicht zu werten.
Der Spieler Ucan ist erheblich sportstrafrechtlich einschlägig vorbelastet. Er hatte die hier zur Aburteilung anstehende Tat während des Laufes einer vom Verbandsgericht zugestandenen Bewährung begangen. Diese Bewährung wurde vom Verbandsgericht zwischenzeitlich durch Beschlüsse vom 13.3.und 15.4.2015 widerrufen.
Das Verbandsgericht hat äußerst wohlwollend die Tat des Spielers Ucan nicht als besonders schweren Fall gewertet und die Sperre von 3 Pflichtspielen in den Mannschaften, in denen er eine Spielerlaubnis hat bzw. für 3 Wochen in allen anderen Mannschaften und Spielen nach Ablauf der ursprünglich zur Bewährung ausgesetzten Restsperre bestätigt. Der Spieler Ucan wird darauf hingewiesen, dass er bei einem erneuten Sportvergehen nicht mehr mit dieser Milde rechnen kann.
2. Der Schiedsrichter wurde im Anschluss an diese grobe Beleidigung von einem unbekannt gebliebenen Spieler des Berufungsführers an beiden Armen gepackt, um zu verhindern, dass dem Spieler Ucan die „rote Karte“ gezeigt wird. Dabei kam es dann zu einer „Rudelbildung“ in dessen Verlauf es zu einem Kontakt mit dem Kopf des Schiedsrichters kam. Dieser Vorgang wurde durch Urteil des Sportgerichts vom 29.4.2015 mit einer Geldstrafe von 250,00 € gegen den Berufungsführer geahndet. Der Berufungsführer hat dieses Urteil nicht angegriffen, so dass die Feststellungen des Sportgerichts vom Verbandsgericht zugrunde gelegt werden können.
a. Danach steht fest, dass der Schiedsrichter auf dem Spielfeld tätlich angegriffen werden konnte, ohne dass Ordner zum Schutz des Schiedsrichters zugegen waren. Der vom Berufungsführer gestellte unbeteiligte Zeuge hatte hierzu ausgeführt, dass sich zum Zeitpunkt der Rudelbildung zumindest ein Offizieller des Berufungsführers in unmittelbarer Nähe des Schiedsrichters befunden habe. Dieser sei jedoch kein Ordner gewesen. Ordner habe er, wie auch die weiteren vom Berufungsführer benannten Zeugen ausgeführt hatten, nicht gesehen. Da ein Offizieller rechtzeitig beim Schiedsrichter sein konnte, musste dieses erst Recht für Ordner gelten. Der zuständige Leiter des Ordnungsdienstes des Berufungsführers gab vor dem Verbandsgericht zu, dass er, wie in den Sicherheitsrichtlinien des HFV ausgeführt, einen Lehrgang nicht absolviert hatte und eine Einweisung angeblich vorhandener Ordner nicht erfolgt sei.
Nach der Rechtsprechung ist der Berufungsführer beweispflichtig dafür, dass ein ausreichender und geschulter Ordnungsdienst vor Ort war. Gibt es Übergriffe auf den Schiedsrichter, tritt nach allgemeinen Grundsätzen eine Beweislastumkehr ein, da die Übergriffe den Schluss zulassen, dass der Ordnungsdienst nicht ausreichend war. Den Entlastungsbeweis hat der Berufungsführer weder angetreten noch geführt.
Das Verbandsgericht hält, ebenso wie das Sportgericht hierfür eine Einsatzstrafe von 500,00 € gemäß § 32 (1) RuVO für schuld- und tatangemessen, zumal auch bei dem weiteren Geschehen keine Ordner dem Schiedsrichter zu Hilfe kamen.
b. Der Schiedsrichter wurde auf dem Weg zur Kabine von einem Zuschauer am Weiterlaufen gehindert und festgehalten, so dass er zu Boden fiel. Nach seinen Angaben erhielt er einen Schlag gegen den Hals. Dabei wurde der Schiedsrichter von Zuschauern, die eindeutig dem Berufungsführer zuzuordnen waren, mit den Worten „Nazi“ und „Arschloch“ beleidigt. Dieses ergibt sich im Wesentlichen aus der Aussage des Schiedsrichters und den Bekundungen der vom Berufungsführer gestellten neutralen Zeugen.
Gemäß § 30 (2) i.V.m. § 32 (12) und (16) RuVO ist daher gegen den Berufungsführer eine empfindliche Geldstrafe zu verhängen. Das Verbandsgericht hält insoweit eine Einsatzstrafe von 800,00 € für angemessen und erforderlich.
c. Dem Berufungsführer wurde von dem Sportgericht aufgegeben, bis zum Termin am 14.4.2015 den Zuschauer zu benennen. Der Berufungsführer hat sich dahingehend eingelassen, dass der Zuschauer nicht bekannt sei. Der Schiedsrichter hat jedoch bestätigt, dass eben dieser Zuschauer den in der Kabine befindlichen und für die Erstellung des Spielberichts benötigten Laptop abholte. Der Berufungsführer hatte hierzu angemerkt, dass auf dem Platz mehrere Vereine Spiele austragen und technische Hilfsmittel alle Vereine gemeinsam nutzen. In der Berufungsinstanz hatte der Berufungsführer dann ausgeführt, dass der Zuschauer auf der Anlage erschienen und auf den Vorfall angesprochen worden sei. Der Zuschauer soll daraufhin ohne Angabe seines Namens den Ansprechpartner angegriffen haben. Der Vorgang sei zur Anzeige gebracht worden, ein polizeiliches Aktenzeichen wurde dem Verbandsgericht mitgeteilt.
Nachforschungen haben ergeben, dass das polizeiliche Aktenzeichen nicht den angeblichen Vorfall mit dem Zuschauer betrifft. Ein solcher Vorfall ist der zuständigen Dienststelle der Polizei auch nicht bekannt.
Das Verbandsgericht hält die Einlassung des Berufungsführers für eine unglaubhafte Schutzbehauptung. Zum einen hat ein vom Berufungsführer gestellter Zeuge, der einem Verein angehört, der ebenfalls auf dem Platz Spiele austrägt, erklärt, dass jeder der dort ansässigen Vereine eigene Computer für die Spielberichte hat und stellt. Zum anderen ist es unverständlich, dass der Berufungsführer bei einem Spitzenspiel der Bezirksliga keinen Laptop vor Ort hat sondern sich darauf verlässt, dass ein Unbekannter zufällig mit einem Laptop erscheint, um sich das Spiel anzusehen. Es ist auch unwahrscheinlich, dass dieser Zuschauer das notwendige Programm auf seinem Laptop aufgespielt hatte.
Das Verbandsgericht geht davon aus, dass der Zuschauer dem Berufungsführer namentlich bekannt ist und bewusst ein Lügengebilde aufgebaut hat, um sich und den Zuschauer vor Sanktionen zu schützen.
Das Verbandsgericht hält eine Einsatzstrafe für die mangelhafte Mitwirkung der Sachverhaltsaufklärung von 500,00 € als geringstmögliche Strafe für angemessen.
Aus den Einsatzstrafen ist gemäß § 35 (2) RuVO eine Gesamtstrafe zu bilden. Das Verbandsgericht hält die vom Sportgericht verhängte Geldstrafe von 1.500,00 € zur richtig.Geldstrafen sind entgegen der Auffassung nicht anhand der monatlichen Einkünfte des Berufungsführers zu ermitteln. Vielmehr ist bei den Geldstrafen ein Rahmen vorgegeben, der bereits die Einkünfte der Vereine berücksichtigt. Eine Gefährdung des Berufungsführers in wirtschaftlicher Hinsicht ist durch Einräumung von Ratenzahlungen ausgeschlossen. Dem ist das Verbandsgericht nachgekommen, indem es Ratenzahlungen zugebilligt hat.
3. Das Sportgericht hatte dem Berufungsführer aufgegeben auch nach der letzten mündlichen Verhandlung den Zuschauer zu benennen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung wurde als Druckmittel ein Punktabzug angedroht, der am Ende dieser Serie vorgenommen werden sollte, wenn der Berufungsführer seiner Verpflichtung bis dahin nicht nachkommt.
Der Berufungsführer hat sein letztes Punktspiel dieser Serie ausgetragen, so dass sich die Auflage erledigt hat. Auch ein Punktabzug würde den Berufungsführer in keine schlechtere Position bringen, da ein Aufstieg in die Landesliga aus sportlichen Gründen nicht möglich ist.
4. Da das letzte Punktspiel dieser Serie vom Berufungsführer ausgetragen wurde, ist auch die Auflage des Sportgerichts, dass Heimspiele unter Verbandsaufsicht gestellt sind und der Berufungsführer hierfür die Kosten zu tragen hat, für die Zukunft erledigt. Für die Vergangenheit war sie angesichts der Vorfälle jedoch begründet.
5. Für das Vereinsmitglied Shafiq Kohistani wurde vom Sportgericht die ihm vom HFV erteilte Kennung entzogen, da dieser nach Angaben des Berufungsführes keine Aufgaben beim Berufungsführer hat. Der Berufungsführer hat hiergegen ebenfalls Berufung eingelegt, jedoch nicht begründet.
Danach war die Berufung mit der Maßgabe der Erledigungstatbestände und der Ratenzahlungsbewilligung zurückzuweisen.
Die Kosten waren gemäß §§ 39 und 40 RuVO insgesamt dem Berufungsführer aufzuerlegen. Der Berufungsführer ist in allen Punkten unterlegen. Die Erledigungstatbestände und die Zubilligung von Ratenzahlung ändern daran nichts.
Zeißing
Vorsitzender des Verbandsgerichts