„Nörgeln kann jeder, bei uns wird angepackt“ – Von Pilotprojekten und Regelpäpsten

Aus Präsenz mach Digital – aber bloß nicht überall

Was die Schiedsrichter*innen des BSA Nord so machen, wie sie organisiert sind und wie sie ticken – davon haben wir in Teil I schon einen Einblick gegeben. Heute geht es weiter mit Teil II zum BSA Nord. 

Obmann Alexander Teuscher, Sven Reinhart & Co. sprechen über Pilotprojekte für Nachwuchsschiedsrichter*innen, Regelpäpste, das bisher nicht gefeierte 100-jährige Jubiläum und womit die Schiedsrichter*innen ihren Vorstand besonders überrascht haben.

Damit die Talente gefördert und es wie Norbert Grudzinski oder Horst Krohn nach „Oben“ schaffen können, werden an der Basis die Strukturen geschaffen. „Sowohl vor als auch jetzt während Corona bieten wir zwei Lehrabende im Monat mit jeweils inhaltsgleichem Lehrthema an – nur sind die Präsenzlehrgänge nun zu Online-Konferenzen geworden. Für die Umstellung haben wir lediglich einen Monat pausiert und waren dann motiviert, den Kontakt zu unseren Schiedsrichter*innen nicht zu verlieren. Nach wenigen Wochen waren wir also wieder im Regelbetrieb“, berichtet Sven Reinhart.

 
Die Erfahrungen der Online-Lehrgänge sind durchaus positiv: „Die werden ähnlich gut angenommen, wie die vorigen Präsenzabende. Einzig hat sich die Mischung der Teilnehmenden etwas geändert. Einige sind online öfter anwesend, andere scheuen die Online-Sitzungen nach wie vor. Erfreulich ist, dass wir mit viel Support auch unsere älteren Semester gut in die Online-Konferenzen einbinden konnten“, freut sich Reinhart. Ähnlich schnell habe man auch der Regelbetrieb bei den monatlichen Obleute-Sitzungen wieder aufgenommen. „Dieser Austausch wurde gerade während der teilweise unsicheren Lage der Pandemie von unseren Obleuten gut angenommen und geschätzt“, erzählt Alexander Teuscher.

Dass die Aus- und Weiterbildung nach fast zwei Jahren nun endlich wieder stattfinden kann, freut den BSA Nord besonders. „Ohne anschließende zeitnahe Praxis ist eine Ausbildung wenig sinnvoll. Daher kommt es seit Herbst 2019 erst jetzt im August 2021 zur nächsten Ausbildung von Schiedsrichteranwärter*innen. Dafür verlassen wir aktuell unsere altbekannte Ausbildungsstätte und führen den Lehrgang unter ausreichend Abstand in einer Schulsporthalle durch. Alle sollen sich sicher fühlen, und dennoch halten wir an der Ausbildung in einem Präsenzlehrgang fest, denn man möchte sich sehen und nicht über den Bildschirm kennenlernen“, berichtet Sven Reinhart.

Die Leistungsschiedsrichter und -schiedsrichterinnen – also jene mit ordentlich Potenzial und Aufstiegsambitionen – treffen sich außerdem in der sogenannten Leistungsgruppe. „Mit den Mitgliedern dieser Gruppe sind spezielle Angebote verknüpft, welche dem Konzept ‚Fördern und Fordern‘ folgen“, erklärt Patrick Hiebert. „Zum Beispiel trifft man sich einmal im Quartal über die regulären Lehrabende hinaus zum Austausch und für ein intensiveres Lehrziel“.

Neben der Theorie steht natürlich die Praxis beim BSA Nord im Mittelpunkt. Jeden Mittwoch war vor Corona gemeinsames Training in einer Schulsporthalle in der Nähe der U-Bahn-Haltestelle Horner Rennbahn angesagt. Dabei geht es nicht nur um Fitness, sondern auch um den Austausch und das Vernetzen untereinander – auch mit den Kolleginnen und Kollegen des Partnerbezirks. „Zusammen mit dem BSA Ost sind wir zahlenmäßig eher die kleineren Bezirke. Für ein regelmäßig gut besuchtes Training bot sich daher die Kooperation an und wird schon seit Jahren erfolgreich gepflegt“, erklärt Teuscher.

Von rund 300 Schiedsrichter*innen kommen im Schnitt 25 zu den Lehrabenden, beim Training sind jede Woche etwa acht bis zehn dabei – vor Corona, versteht sich. Anders als der Großteil, seien die Leistungsschiedsrichter*innen entsprechend ihrer Kader und höchsten Spielkassen zu einer gewissen Trainings- und Lehrabendteilnahme verpflichtet, erzählt Sven Reinhart. „Darauf haben wir natürlich ein Auge und setzen gegebenenfalls die säumigen Kollegen vorübergehend nicht in ihrer höchsten Spielklasse an. Das kommt jedoch nur in Einzelfällen vor“, erklärt er. Insgesamt war der BSA Nord zuletzt sehr zufrieden mit der Teilnahmebereitschaft seiner Leistungsschiedsrichter*innen – sowohl bei Lehrabenden als auch beim Training. „Wir sind sehr froh über das Engagement unserer BSA-Schiedsrichter*innen, denn ohne diese Basis wäre schlicht kein Spielbetrieb möglich“, betont Teuscher.

Während sich Hamburg in der Corona-Pandemie zwischen Lockdown und Ausgangssperre bewegte, war auch im BSA Nord viel Eigenengagement gefordert. „Jeder Schiedsrichter muss sich selbst fit halten. Diese Eigenverantwortung galt schon immer für jeden, denn das einmal wöchentliche Training allein ist zur Erhaltung oder gar Erweiterung der körperlichen Fitness nicht ausreichend. Mit dem ausgesetzten gemeinsamen Training ist diese Eigenverantwortung leicht gestiegen“, erzählt Sven Reinhart. Zur Überraschung des Vorstands habe das sogar ganz gut geklappt: „Die ersten körperlichen Leistungsprüfungen zeigen, dass das im Großen und Ganzen gut funktioniert hat. Wir haben hier mit erhöhten Bestehens-Schwierigkeiten der Teilnehmenden gerechnet“, freut sich Reinhart. „So froh über positiv enttäuschte Erwartungen waren wir schon lange nicht mehr“. Im Hinblick auf die bevorstehende dunklere Jahreszeit hofft der BSA Nord nun, dass sehr bald wieder Hallentraining und Lehrabende in Präsenz und ohne Corona-Einschränkungen für die Teilnehmenden stattfinden können.

Nach der Arbeit kommt das Vergnügen – und davon gibt es jede Menge im BSA Nord, blickt man auf eine Prä-Corona-Zeit zurück. Wertschätzung zeigen, das Gemeinschaftsgefühl und Vereinsleben stärken und junge und alte Kolleg*innen motivieren – Gründe, um einfach mal „nur“ Spaß zu haben, findet der BSA Nord genug. „Jedes Jahr im Mai wird beispielsweise in einem Quizwettbewerb der Regelpapst des BSA Nord gekürt. Hier treten im KO-System die Schiedsrichter*innen bei Regelfrage-Duellen gegeneinander an. Dieses Format konnte so leider nicht digital stattfinden. Stattdessen haben wir einen Quizshow-Lehrabend durchgeführt. Geladen wurde zu „Wer weiß denn sowas?“. Wir freuen uns aber zukünftig wieder darauf, weitere Regelpäpste in Präsenz küren zu können“, erzählt Sven Reinhart.

Das jährliche Highlight ist normalerweise der Ehrungsabend, bei dem Schiedsrichter*innen für ihren jahrzehntelangen Einsatz für die Schiedsrichterei vom VSA geehrt werden. „Schon seit mehreren Jahren ehren wir als BSA Nord zudem die Schiedsrichter*innen, die seit zehn Jahren aktiv pfeifen. Denn zehn Jahre sind bereits eine beachtenswerte Leistung und dafür bekommen sie eine kleine Urkunde und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden, denn diese haben sie zweifelsohne verdient“, findet Christian Lüders.
Zudem gebe es seit 1997, angestoßen vom damaligen BSA-Obmann Horst Krohn, die Sonderehrung zum Schiedsrichter des Jahres des BSA Nord, erzählt Lüders. „Eine Tradition, die von allen folgenden Vorständen mit Freude übernommen wurde und wird. Während es damals ein T-Shirt mit der aufgedruckten Auszeichnung gab, werden heute kleine Pfeifen-Trophäen für die Vitrine verliehen“.

Auch das 100-jährige Jubiläum des BSA Nord im Jahr 2020 sollte gebührend gefeiert werden. „Das war schon in Planung. Leider mussten wir die Feier aufgrund der Pandemie auf unbestimmte Zeit verschieben und hoffen bald auf eine gesellige Veranstaltung – dann halt zum 102- oder 103-jährigen Bestehen“, gibt sich Alexander Teuscher pragmatisch – aufgeschoben ist schließlich nicht aufgehoben.

Jedes Jahr im Dezember gibt es außerdem ein gemeinsames Grünkohlessen, einmal im Jahr das Herbert-Kuhr-Turnier aller Hamburger Bezirke und hin und wieder einen gemeinsamen Wochenendausflug mit den Beobachter*innen des BSA Nord – normalerweise. „Der letzte Ausflug fand im September 2017 nach Berlin statt. Von Freitag bis Sonntag haben wir ein buntes Programm organisiert – eine rundum gelungene Veranstaltung“, blickt Teuscher zurück.
Darauf, dass Ausflüge, Feiern und Gemeinschaftsabende nach langer Corona-bedingter Durststrecke endlich wieder Fahrt aufnehmen können, hofft und freut man sich besonders. „Während ich das hier so erzähle, merke ich, es wird mal wieder Zeit – wenn Corona endlich vorbei ist“, merkt Sven Reinhart. 

Eine besondere, weil über die Grenzen der Hansestadt hinaus gehende Freundschaft hat der BSA Nord mit dem Nordthüringischen Kreisfußballausschuss (NTKFA). Mit kleiner Delegation hat man sich vor Corona gegenseitig zu Wochenend-Lehrgängen besucht. „Im Oktober 2019 waren wir zuletzt mit einer Gruppe von sechs Schiedsrichter*innen im bei unseren Freunden in Thüringen und haben deren Lehrgang besucht. Das war eine Gegeneinladung auf deren Besuch im Januar 2019 bei uns“, erklärt Sven Reinhart. „Aus der Freundschaft mit dem NTKFA ist auch eine Turniereinladung und -teilnahme einer Mannschaft des BSA Nord beim Nordhausen Cup der Schiedsrichter*innen entstanden. Das Team des BSA Nord, das sich sonst nur auf dem Herbert-Kuhr-Turnier der Bezirke dem fußballerischen Wettbewerb stellt, hat dort den zweiten Platz erreicht und so auch die sportlichen Fahnen des BSA Nord in Nordhausen (Thüringen) hochgehalten“, erzählt er.

Wie so Vieles ist auch ein Pilotprojekt des BSA Nord der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. „Das Projekt sollte den Praxiseinstieg von Schiedsrichteranwärter*innen erleichtern und den Praxisschock mindern“, erklärt Sven Reinhart. „Auf unseren geplanten Anwärterlehrgang im März 2020 folgend sollte im April der 1. BSA Nord Cup ausgetragen werden: Ein Turnier, welches wir als Schiedsrichterbezirk speziell zur Praxisausbildung der frisch ausgebildeten Anwärter veranstalten“.

 
Entstanden sei die Idee aus dem immer größer werdenden Problem der langen Zeitspanne zwischen Ausbildung neuer Schiedsrichter*innen und regelmäßiger Praxiserfahrung der Neulinge. „Hier fehlt es schlicht an Spielen, denn mit den Fair-Play-Ligen der kleinsten Kicker müssen Neuausgebildete, teilweise noch 14-jährige Schiedsrichter*innen in der D-Jugend oder höheren Spielklassen in die Praxis einsteigen. Der Praxisschock ist vorprogrammiert, oder die Dauer bis zum ersten Spiel nach dem Lehrgang oft zu lang“, erklärt Reinhart. Als Lösungsansatz wollte der BSA Nord ein eigenes Turnier mit E- und D-Jugendlichen ausrichten und mit gezielten Patenschaften die Schiedsrichter-Neulinge bei den Spielleitungen innerhalb dieses Turniers begleiten. Der Nachwuchs sollten so schnell und gut begleitet in die Praxis eingeführt werden. 

Das Projekt sei nun erstmal aufgeschoben. „Die grundsätzliche Idee stammt von Hans-Christian Münte (USC Paloma) und Jens Wolf (Bramfelder SV) und somit aus den Reihen der Vereinsobleute“, ergänzt Teuscher. „Probleme erkennen und nörgeln kann jeder, bei uns wird angepackt“. Und das hoffentlich sehr bald wieder sehr viel mehr auf und neben dem Platz – denn nicht nur Alexander Teuscher & Co. finden, dass dies wieder allerhöchste Zeit wird!

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