Interview mit Sophie Nachtigall (HSV) – Jugendspielerin des Jahres

Ich habe auch gelernt, nie zufrieden sein zu sollen

Zweikampf im HSV-Trikot - Foto privat

Sophie Nachtigall ist die Jugendspielerin des Jahres 2021 im Hamburger Fußball-Verband. Grund genug, uns mit ihr unterhalten. Im Interview lernen wir die HSV-Spielerin, die am 30. August 2021 auf dem Jahresempfang des Hamburger Fußball-Verbandes Hotel Grand Elysée geehrt wurde, besser kennen.

Wer war Deine erste*r Trainer*in bzw. wie bist Du zum Fußball gekommen?
Durch meine Schwester bin ich zum Fußball gekommen. Ich wurde überall mitgeschleppt und es konnte mir gar nicht verwehrt werden, an den Ball zu kommen. Die ersten Trainerinnen waren Eylin Harders und Franziska Struckmeyer bei Germania Schnelsen.

Was hast Du für Dich in den zurückliegenden Jahren gelernt?
Nicht aufzugeben. Auch Rückschläge, wie Verletzungen oder weniger Erfolg, zu verkraften. Durch den Fußball lernt man auch viele Menschen kennen und schätzt gute Leute, mit denen man auch außerhalb vom Sport was macht.
Ich bin durch den Fußball viel offener geworden und man lernt mit anderen schneller klarzukommen. Das Teamgefüge prägt einen Menschen und es ist schön, wenn jede für jede kämpft.
Ich habe auch gelernt, nie zufrieden sein zu sollen…auch nach dem 1. Länderspiel muss man weiterhin gierig sein für „Mehr“. Es ist auch wichtig Dankbarkeit zu zeigen – nicht nur für Trainer*innen sondern auch für Familie und Freunde. Denn diese unterstützen mich enorm und helfen überall.

Welche Bedeutung hatte die HFV-Auswahl an deiner Entwicklung?
Durch den HFV konnte ich mich für den DFB aufmerksam machen. Ich konnte mich mit den Besten aus Hamburg messen, hab hier auch das erste Mal überhaupt mit Mädchen (Anmerkung: Sophie hat bei Junioren angefangen) zusammengespielt. Ich habe hier auch andere Trainingseinheiten erlebt und hab direkt einen Vergleich auf einem hohen Niveau erhalten.

 
Welchen Tipp hast Du für Nachwuchsspielerinnen, welche Techniken im Top-Segment von Bedeutung sein werden?
Zielstrebig bleiben, nicht aufgeben. Sich an anderen messen, aber es als Antrieb sehen – „ich will auch so werden“. Vorbilder suchen, von denen man was lernen kann. Es sollte aber der Spaß beibehalten werden – Freude strahlt viel aus!
Beidfüßigkeit und Ballbeherrschung sind wichtig. Je nach Position sind auch noch andere Fähigkeiten gefragt, wie zum Beispiel auch Schnelligkeit.

Was ist deine persönliche Stärke im Spiel?
Beidfüßigkeit, Ballkontrolle und Spielverständnis.

 
Wie wichtig ist Dir Teamgeist?
Sehr wichtig. Ohne den kann man nichts im Teamsport erreichen. Enorm gut, wenn es im Team wie in einer Familie ist und sich alle untereinander verstehen. Wenn man sich auf andere verlassen kann und man sich gegenseitig die Fehler wieder gut macht und aushilft. Zusammen freut man sich auch mehr und beim Verlieren kann man sich auch gegenseitig aufbauen.
Was war für Deinen sportlichen Werdegang der entscheidende Impuls?
Die erste Einladung zum DFB. Danach wurde ich nicht direkt eingeladen, sondern stand nur auf Abruf. Das hat mich gereizt beim nächsten Sichtungsturnier alles zu geben.
Auch die Corona Zeit habe ich richtig gut genutzt und mich privat gut weiterentwickelt und immer weiter trainiert. Der Antrieb in dieser Zeit war, dass ich zeigen wollte, dass ich beim DFB eine Leistungsträgerin sein kann und mich an die Spitze kämpfe, bis ich in der A-Nationalmannschaft spielen werde. Ich möchte mich mit anderen messen und das zahlt sich aus. 

Vor was sollten sich talentierte Spielerinnen am meisten abschotten bzw. schützen, um Erfolg zu haben?
Vor Neid. Wenn sich Freunde abwenden, weil sie meinen, dass du einen komplett falschen Weg gehst, dann ist es wichtig, sich auf sich zu konzentrieren und bei seinem Ziel zu bleiben. Natürlich nur solange es Spaß macht.
Es ist auch wichtig, auf die Leute zu hören, von denen man weiß, dass sie einen unterstützen; und nicht von Menschen ablenken lassen, die sich einmischen wollen.

Wie können sich Spielerinnen am meisten vor Verletzungen schützen?
Eine athletische Weiterentwicklung ist wichtig. Damit ist nicht nur die Kraft gemeint, sondern unter anderem muss man auch seine Beweglichkeit ausbauen. Mittels „Rollen“ oder Dehnen. Wichtig ist es auch, sich von der Physiotherapie pflegen zu lassen, vor allem wenn man nur eine Kleinigkeit „spürt“, dann sollte man auf den Körper hören und es behandeln lassen und nicht drüber hinweg schauen. 

Was hast Du am Umgang mit Dir von Seiten der Trainer*innen am meisten schätzen gelernt?
Ich schätze sehr die Betreuung und die Unterstützung. Die Trainer*innen nehmen sich, trotz Ende der Einheit, Zeit, um an individuellen Inhalten zu trainieren.
Ich bin auch sehr dankbar für die Höflichkeit und den Respekt den die Trainer*innen zeigen. Es wurde auch mal nachgesehen, wenn man mal im Training nicht den Kopf hatte. Sie waren auch sehr achtsam gegenüber den Problemen, die man in diesem Alter hat und haben uns auch nicht als „Kinder“ behandelt. Außerdem wurden Meinungen angehört und auch ins Team integriert, was ein Vertrauen zwischen mir und den Trainer*innen geschaffen hat.

Was wäre noch wichtig für die Vereine und den Verband, um bessere Bedingungen für talentierte Spielerinnen zu schaffen?
Geld. Damit meine ich die finanzielle Investition in den Frauen- und auch Mädchenfußball. Dadurch kann sich dieser Bereich besser weiterentwickeln und bekommt auch eine bessere Anerkennung. Es ist die gleiche Sportart, deshalb sollten auch alle gleichbehandelt werden. Momentan müssen sich die Mädchen alles erkämpfen und geben sich bereits mit weniger zufrieden, wo es bei den Junioren schon ein Drama wäre. Den Frauen wird momentan bereits mehr Aufmerksamkeit gegeben, aber es ist längst noch nicht ausgleichend.

Wie wichtig schätzt du deine Erfahrungen als Spielerin im Juniorenbereich ein?
Es ist ein „anderer“ Fußball und Körperlichkeit und Schnelligkeit wird mehr gefordert. Auch der Umgang mit den Jungs ist anders. Durch die Leistung erhält man die Akzeptanz im Team. Man kann schon sagen, dass wenn man diese Wertschätzung und Vertrauen bekommt, dass man dann was erreicht hat. Und wenn man da mithalten kann, dann nimmt man auch viel positives in den Frauen- bzw. Mädchenbereich mit. Wenn man später hoch spielen will, dann muss man auch lange bei Jungs gespielt haben.

Mit welchen Stärken wird eine talentierte Spielerin heute U-Nationalspieler?
Es ist gut zu wissen, wie man seine Stärken in jedes Team einbringen kann und man sollte auch immer an seinen Stärken arbeiten, um nicht irgendwann abzufallen. Natürlich arbeitet man auch an seinen Schwächen, damit keine Lücken geschaffen werden, die andere Spielerinnen ausnutzen können. Es ist also viel, viel Arbeit, welche aber nur Sinn macht, wenn der Spaß und das große Ziel immer im Vordergrund stehen.
Generell wichtig sind ein gutes Spielverständnis, eine gute Physis und eine gute Ballbeherrschung. Außerdem ist das „Etwas Anderes“, also eine Fähigkeit, die dich von allen unterscheidet, sehr wertvoll. Eine persönliche Stärke, die dich ausmacht.
Immer mehr machen wollen als die anderen, sich nie zufrieden stellen und sich von den anderen Spielerinnen das Beste abgucken und sich mit ihnen messen.
Danke und guten weiteren Verlauf wünscht der HFV!

2015 Carla Morich (SV Halstenbek-Rellingen) *
2016 Anneke Borbe (SV Lieth)
2017 Caya Momm (Eimsbütteler TV)
2018 Nora Clausen (USC Paloma)
2019 Lina Dantes (TSV Eppendorf/Groß-Borstel)
2020 Beyza Kara (SV Nettelnburg-Allermöhe)
2021 Sophie Nachtigall (TuS Germania Schnelsen)

* Genannt ist immer der erste Verein der Spielerin

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