Aktiv gegen sexualisierte Gewalt

Video "Blick hinter die Maske" von DFB und Zartbitter e.V.

"Das Video ist im ersten Moment schwer verdaulich": der Film "Blick hinter die Maske". Foto: DFB

Der Zartbitter e.V. Köln hat gemeinsam mit dem Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main das Video „Blick hinter die Maske – Strategien der Täter und Täterinnen bei sexualisierter Gewalt“ im Fußball und in anderen Institutionen vorgestellt.

Das Video richtet sich sowohl an Jugendliche als auch an Erwachsene. Es zeichnet anhand eines Fallbeispiels aus der Beratungspraxis von Zartbitter Köln typische Strategien der Täter*innen auf.

Es veranschaulicht, wie diese die Wahrnehmung der Eltern und Vereinsvorstände vernebeln, den Widerstand potenzieller kindlicher und jugendlicher Opfer brechen und deren Schweigen über die ihnen zugefügte sexuelle Gewalt erzwingen. Zudem informiert der Film über Möglichkeiten der Strafanzeige und Hilfe für betroffene Mädchen und Jungen, deren Eltern und Freund*innen.

„Der Film ist ein konkretes Beispiel aus meiner Beratungspraxis“, sagt Ursula Enders, Leiterin von Zartbitter. „Ich habe jedoch bewusst ein altes Fallbeispiel genommen, damit die Betroffenen heute nicht mehr zu identifizieren sind. Wir haben in der Beratungsarbeit festgestellt, dass betroffene Jugendliche schnell Schuldgefühle abbauen, wenn wir sie über Täterstrategien informieren. Außerdem erfahren sie damit mehr Solidarität von anderen.“

Es gibt im Fußball viele engagierte Trainer*innen, die sich für die Achtung der persönlichen Grenzen und Rechte von Kindern und Jugendlichen einsetzen. Doch gibt es im Fußball ebenso wie in anderen Sportarten und Lebensbereichen auch einzelne Männer und Frauen, die Kindern und Jugendlichen sexuelle Gewalt zufügen. Informationen über das strategische Vorgehen der Täter*innen entlasten viele betroffene Jugendliche von dem Schuldgefühl, für die ihnen zugefügte sexualisierte Gewalt selbst verantwortlich zu sein. Durchschauen auch Mannschaftskamerad*innen von betroffenen Fußballer*innen das Intrigenspiel von Täter*innen, so fällt ihnen die Solidarität mit Betroffenen und die Aufdeckung der sexuellen Gewalt oft relativ leicht.
Es ist eine nicht nur Berater*innen bekannte, sondern in den vergangenen Jahren auch wissenschaftlich belegte Tatsache, dass von sexualisierter Gewalt betroffene Jugendliche sich weitaus häufiger gleichaltrigen Freundinnen und Freunden anvertrauen als erwachsenen Vertrauenspersonen. Auf die Frage, warum sie mit Erwachsenen nicht über ihnen zugefügte sexuelle Gewalt sprechen, antworten Jugendliche in der Regel, dass Erwachsene meist nicht offen über sexuellen Missbrauch sprechen und sich oft nicht vorstellen können, dass Menschen, die sie mögen, „so etwas tun“. Auch schweigen die Opfer, da sie befürchten, durch für sie unberechenbare Reaktionen der Erwachsenen einen erneuten Kontrollverlust zu erleben.

Das Zartbitter-Video „Blick hinter die Maske“ gibt Erwachsenen wertvolle Impulse für die Entwicklung von institutionellen Schutzkonzepten und fördert die Wahrnehmung der Hinweise auf sexuelle Gewalt, die man dem Verhalten von Täter*innen entnehmen kann. Damit wird die Beweislast zumindest zum Teil von den Schultern der betroffenen Kinder und Jugendlichen genommen.

„Wir finden, dass das Video eine hervorragende niederschwellige Einstiegsinformation für Kinder und Jugendliche, aber auch Vereine, Trainerinnen und Trainer ist“, sagt Dr. Stephan Osnabrügge, Schatzmeister und Kinderschutz-Beauftragter des DFB. „Es ist sehr explizit und deswegen im ersten Moment möglicherweise schwer verdaulich. Das ist aber gut so. Täterstrategien zu erkennen, ist der erste Schritt, um den Kindern zu helfen.“
Sexueller Missbrauch beginnt in der Regel nicht mit einer Vergewaltigung, sondern mit Grenzverletzungen und Übergriffen. Diese müssen Erwachsene wahrnehmen, benennen und bereits in den Anfängen stoppen. Beobachtete grenzverletzende Verhaltensweisen zu benennen, bedeutet noch lange nicht, dass man eine Person zu Unrecht verdächtigt. Man gibt dieser vielmehr die Chance, das eigene vielleicht aus Unwissenheit oder mangelnder Achtsamkeit resultierende Fehlverhalten zu korrigieren.

Um junge Sportler*innen bestmöglich zu schützen, startete Zartbitter unter anderem 2011 in Kooperation mit dem Fußballverband Mittelrhein und dessen damaligem Vizepräsidenten Stephan Osnabrügge und brachte die Broschüre „Platzverweis! Tipps für Jungen gegen sexuelle Übergriffe im Sport“ heraus. Auch beim DFB konzipierte Osnabrügge in seiner Funktion als Leiter der Task Force „Prävention Sexualisierter Gewalt im Fußball“ die DFB-Broschüre „Kinderschutz im Verein“ als Handlungsleitfaden zur Prävention und Intervention für Fußballvereine.

In seiner heutigen Rolle als DFB-Kinderschutzbeauftragter betont Osnabrügge die Bedeutung des Themas: „Das Thema Kinderschutz treibt uns als DFB seit vielen Jahren an. Wir sind uns alle einig, dass Fußballvereine ein sicherer Ort für Kinder und Jugendliche sein sollten. Frei von Machtmissbrauch, Übergriffen und sexualisierter Gewalt.“
Daher möchte der DFB dem Video „Blick hinter die Maske – Strategien der Täter und Täterinnen bei sexualisierter Gewalt“ nun zu einer größtmöglichen Aufmerksamkeit verhelfen. „Der DFB erfährt bei Kindern und Jugendlichen in der Breite höchste Anerkennung“, sagt Enders. „Deshalb freuen wir uns sehr, dass der Verband diesen Film öffentlich verbreitet.“

Doch nicht nur der DFB fördert die Bekanntmachung des Videos. Auch Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration des Landes NRW, setzt sich für den Kinderschutz im Sport ein. „Sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen ist ein unerträgliches und widerwärtiges Verbrechen“, so der Minister. „Es sind keine Einzelfälle und keine Randphänomene, sie finden tagtäglich statt. Auch in Sportvereinen. Wir müssen als Gesellschaft noch viel intensiver und genauer hinschauen, aufmerksamer sein und unsere Anstrengungen weiter verstärken, um unsere Kinder besser zu schützen.“

Kinder und Jugendliche vor sexueller Gewalt im Sport zu schützen – dieses Anliegen eint die Teilnehmer*innen der Pressekonferenz in Frankfurt. „Jeder Fall ist einer zu viel“, unterstreicht Dr. Stephan Osnabrügge. „Für uns ist es vor allem wichtig, dass wir das Video bei Schulungen mit Ansprechpartnern in den Vereinen verwenden können, um die soziale Kontrolle innerhalb der Vereine sowie den Blick auf Täterstrategien zu schärfen.“
Daher bittet der DFB alle Vereinsvertreter*innen – egal ob Trainer*innen, Vorsitzende, Jugendleiter*innen oder Spieler*innen – und auch die Eltern des Fußballnachwuchses, das Video in ihrem Umfeld zu verbreiten. Denn Aufmerksamkeit und genaues Hinsehen sind der Schlüssel zu einer bestmöglichen Prävention.
[tn/ DFB]

UNSERE PARTNER