Fit für Fairplay – zu Gast bei der Flüchtlingsmannschaft des SV Blankenese III. Herren

Es war ein frischer und sonniger Samstagmorgen als wir im Sülldorfer Kirchenweg mit all unseren Materialien eintrafen. In telefonischen Vorgesprächen berichteten uns die Trainer Andrew und Werner über Integrations- und Akzeptanzprobleme ihrer Spieler innerhalb der Mannschaft und gegenüber der Schiedsrichter. Schwerpunkt der Veranstaltung sollten wunschgemäß die Themen Regelakzeptanz und Respekt dem Schiedsrichter gegenüber haben. Hintergrund waren viele gelbe Karten und ein Schlüsselerlebnis im Spiel gegen Schnelsen in dem es Rudelbildungen mit körperlichen und handgreiflichen Auseinandersetzungen gegeben hatte. „Ich war sehr erschrocken über meine Spieler“, meinte Andrew zu den Ereignissen „und wollte mir Hilfe holen. Da man mir euch empfohlen.“

Und dann ging es auch schon los. Alban, Arif, Qendrim und Ali waren die ersten, die mit ihren Rädern aus der Unterkunft, in der sie inzwischen untergebracht sind, am Treffpunkt eintrafen. Seit 9 Monaten ist die „Albanerfraktion“ wie sie innerhalb des Teams liebevoll genannt werden in Deutschland. Alban spricht schon sehr gut deutsch und übersetzte den ganzen Tag sehr engagiert für seine Landsleute. Daneben gibt es im Team noch die „Iraner“, die „Afghanen“ und die „Deutschen“ als Fraktionen im Team. Insgesamt 18 junge Männer im Alter zwischen 17 und 27 Jahren. Alle fallen durch einen äußerst herzlichen Umgang miteinander auf. Hinzu kommen Werner und Andrew als Trainer und Chris als Betreuerin und „Mutter“. Fast familiär mutet das Ganze an.
Um 09.35 Uhr starteten wir den Tag mit einer kurzen gegenseitigen Vorstellung und der Abfrage aller Teilnehmer nach der Befindlichkeit und dem Tagesziel.
Spielerisch wurde dann der Themeneinstieg gewählt. Die Jungs berichten über ihre negativen Erfahrungen bei ihren Spielen mit rassistischen und beleidigenden Pöbeleien durch Zuschauer und Gegenspieler, sie berichten über regelmäßige Benachteiligungen durch Schiedsrichter und über ihren Frust durch unfreundliche Behandlungen schon vor Spielen.

Am Bild „Junge Dame – Alte Dame“ (ein Bild mit optischer Täuschung und Mehrfachdeutung) entbrannte ein kleiner Streit über das Alter der Dame. Diese unterschiedliche Wahrnehmung wurde am Beispiel „Abseits oder nicht“ bzw. „Foulspiel oder nicht“ auf den Fußball übertragen. Nach kurzer Diskussion und Hosseins guter Übersetzung für die „Afghanenfraktion“ gab es an dieser Stelle erste „Aha – Erlebnisse“.
Es folgte eine sehr erregte Diskussion über Fehlentscheidungen des Schiris. Seltsamerweise gab es Aufregung immer nur wenn die „falsche Entscheidung“ zu Ungunsten der eigenen Mannschaft getroffen wurde. Damit waren die Themen „eigene Gefühle“ und eigenes „Fairplayverhalten“ in der Debatte. Mit Christian war hier genau der richtige Ansprechpartner vor Ort. Vor allem Qendrim und Arif nahmen aus dieser Debatte einige Anregungen für ihr Verhalten mit. Auch Amir und Ali beteiligten sich überaus aktiv.
Schließlich stand eine Analyse des Spiels gegen Schnelsen auf der Tagesordnung. Trainer Christian machte das „Wutfass“ auf und sammelte die negativen Einflüsse des Tages, welche die Spieler den Tag über begleitet hatten. Es begann mit dem frühen Aufstehen, ging über schlechte Bedingungen auf der Anlage und nicht nachvollziehbare Entscheidungen des Schiedsrichters hin zu unfairer Spielweise des Gegners und rassistischen Beschimpfungen einiger Zuschauer. Zur Halbzeit war das „Wutfass“ bei einigen Spielern schon gut gefüllt. Hier wurde jetzt besprochen, welche deeskalierenden Maßnahmen hätten für Abhilfe sorgen können. Amir hätte jetzt ein kaltes zitroniges Getränk gut getan, Ali hätte einige Minuten für sich benötigt, Arif hätte sich in der Halbzeit schon ein „Beißholz“ gewünscht. In der 2. Halbzeit lief das „Wutfass“ jedoch weiter voll und drohte platzen. Qendrim und Timo hätten eine zusätzliche kleine Pause benötigt, um sich wieder runter zu fahren, Robin hatte schon alle Hände damit zu tun, Asdolah immer wieder zu beruhigen und die beiden Muschtabas hätten ebenfalls einen kurzen Ablenkungsimpuls von draußen gut gebrauchen können.
Es erste Stück harter Arbeit war geschafft. Nach dem Mittagessen (Asdolah hatte eine Spezialität aus seiner Heimat zubereitet und mitgebracht) ging es jetzt auf den Platz, um all das im Trainingsspiel zu üben. Beide Trainer gaben sich große Mühe mit Worten, Mimik und Gestik zu provozieren und den Spielfluss zu behindern. Aufgabe der Spieler war es, „deeskalierende Worte und Gesten“ als Reaktion auf jede Provokation zu finden, um eine Reaktion zu zeigen die einerseits „kein Öl ins Feuer gießt“ andererseits jedoch das eigene „Wutfass“ etwas entlastet. Nach einigen Startproblemen funktionierte dies recht gut. Die Trainer Andrew und Werner werden diese Methode in den nächsten Wochen und Monaten weiter verfeinern.
Bei der abschließenden Übung zur Verhinderung bzw. Auslösung von Rudelbildungen waren die Jungs sehr wachsam und konzentriert. Nach guter Übersetzung war ein großes Verständnis geweckt und alle Spieler, die durch Christian oder Willy in Bedrängnis gebracht worden sind, wurden sofort unterstützt bzw. aus der Situation befreit.
Nach 90 Minuten auf dem Platz ging es noch einmal für eine kleine Abschlussrunde in den Gruppenraum. Die Teilnehmer waren sichtlich erschöpft und äußerten, dass ihr Kopf voll sei von vielen neuen Eindrücken, Anregungen und Erfahrungen.
Andrew und Werner wandten sich noch einmal mit ihrem Dank an ihre Spieler.
Auch wir als Gäste des HFV erhoben uns vor der Leistung der III. Herren des SV Blankenese. Hier wächst nicht nur eine in jeder Hinsicht tolle Fußballmannschaft heran. Hier wird Willkommenskultur gelebt und Integration aktiv von allen Seiten betrieben. Wir wünschen uns viel, viel, viel mehr solcher Teams, dann müssen die schon länger hier lebenden Menschen keine Angst vor den neu Angekommenen haben und die neu Angekommenen müssten sich weniger vor rassistischen Übergriffen von dumpfbackigen Fremdenhassern fürchten.
Respekt dem SV Blankenese! Respekt allen Spielern 3. Herren dieses Vereins!
Respekt Chris, Andrew und Werner, die dieses – in jeder Hinsicht vorzeigbare Projekt – mit viel Engagement und Herzblut anleiten.
Wir wünschen euch allen dafür viel Kraft; wünschen uns: Weiter so!! und sagen Danke für einen unvergesslichen Tag bei Euch.
Willy Wilkens und Christian Henkel

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