„Es war mir immer eine Herzensangelegenheit.“

Volker Okun schmunzelt, als er mit der Geschichte vom Hasen und dem Igel konfrontiert wird. „Ick bün all dor“, sagt der Igel bekanntlich stets, wenn sich der Hase die Seele aus dem Leib gerannt ist. Ein Märchen, aber im Zusammenhang mit dem 69-jährigen Schatzmeister des Hamburger Fußball-Verbandes lässt sich sehr wohl eine Verbindung herstellen: Okun hat eine märchenhafte Karriere hinter sich. Er war immer da, wenn er gebraucht wurde, war ein nimmermüder Tausendsassa, ein hoch emotionales Stehaufmännchen. Und wenn er nun mit dem Igel aus dem volkstümlichen Märchen verglichen wird, dann schmunzelt er nicht nur, dann sagt er – und seine Augen verraten ein wenig Stolz dabei: „Da ist wohl was dran …“

Nun aber hat es sich „ausgerannt“. Der schnelle, emsige und schlitzohrige „Igel“ nimmt seinen Hut. Am 16. Juni, beim HFV-Verbandstag, wird Volker Okun in den Ruhestand verabschiedet. Ein Schritt, der ihm gewiss nicht leicht fällt, der aber aus gesundheitlichen Gründen unumgänglich ist. „Weil ich mich nicht mehr so um die Dinge kümmern kann, wie es erforderlich ist“, sagt Okun, der 1991 in das Ehrenamt gewählt worden war.

Beim BSV 19 hat er einst als Schüler mit dem Fußball begonnen. Erst Linksaußen, dann Verteidiger. Kein rustikaler Abräumer, eher ein Techniker. Schon mit 16 Jahren wurde er parallel Schiedsrichter. Und weil der Beruf und die politische Laufbahn vorging, der Liga-Trainer aber eine Teilnahme an jedem Training forderte, hängte Volker Okun seine Fußballstiefel früh an den Nagel. Seinem Sport aber blieb er treu, denn als Unparteiischer stieg er stetig auf, leitete Spiele in der Oberliga und war fünf Jahre als Assistent in der Zweiten Bundesliga unterwegs. An der Linie bei Schiedsrichter-Legenden wie Walter Niemann, Kurt-Dieter Roth, „Fiete“ Retzmann, Karl-Heinz Picker und Udo Horeis.
Als der DFB die Anreise des Gespanns auf einen Tag vor dem Anpfiff festlegte, stieg Okun, der als Knabe mit dem Turnen begonnen hatte, aus. Das schaffte der CDU-Politiker, der inzwischen einige Ämter angenommen hatte, nicht mehr. „Schiedsrichter zu sein, hat mir sehr viel bedeutet – und es hat mir enormen Spaß bereitet“, sagt er rückblickend.

Wenn Volker Okun über sich und die Schiedsrichterei nachdenkt, fallen ihm zwei etwas andere Spiele ein: „Bei einem Spiel zwischen Bergedorf 85 und Altona 93 hat mich der Vater von Nationalspieler Norbert Meier einmal mit dem Schirm verfolgt und wollte mich verprügeln, weil ich in seinen Augen zu schlecht gepfiffen hatte. Und bei Curslack gegen Altona musste die Polizei kommen, um mich zu schützen, weil ich kurz vor Schluss einen Elfmeter gegen die Heim-Elf gegeben hatte. Nach 15 Minuten hatte die Polizei die Ruhe wieder hergestellt – und ich trank danach im Klubhaus noch ein Bier mit den Beteiligten.“

Und? Gab es auch noch den einen oder anderen Klops in seiner Funktionärs-Karriere? Okun: „Einmal, nur ein einziges Mal habe ich einen Sportplatz nicht gefunden. Das war in Wilhelmsburg. Eine Stunde habe ich gesucht, dann war ich da. Es handelte sich aber nur um eine Unterredung, die dann eben etwas später stattfand. Alles halb so wild.“

Und etwas Grundsätzliches? Volker Okun räumt ein: „Ein Höhepunkt in der ehrenamtlichen Arbeit war der alle zwei Jahre wieder beginnende Kampf mit dem Senat ums Geld. Ich rechne mir negativ an, dass ich es nicht geschafft habe, dass die Gelder, die institutionellen Gelder nicht dynamisiert worden sind. Bis heute nicht. Leider.“

Über den Sport kam er in die Politik, saß im Verkehrsausschuss und in der Bürgerschaft. Schon damals war ihm die kalte Betonschüssel im Volkspark ein Dorn im Auge. Sein Credo: „Dieses Stadion ist unmöglich!“ Mit dem damaligen HSV-Präsidenten Dr. Wolfgang Klein flog er nach New York, zum Beckenbauer-Klub Cosmos: „Wir haben uns die große Arena angesehen, wir trafen auch mit Kaiser Franz zusammen. Diese damalige Reise hatte meinen Horizont erweitert, mir die Augen für viele Dinge geöffnet. Mir war danach klar, dass sich Hamburg an einem solchen modernen Stadion orientieren musste – und das habe ich danach nie aus den Augen verloren.“ Dennoch dauerte es noch bis zur Jahrtausend-Wende, ehe im Volkspark etwas geschah. Okun: „Ich habe lange vergeblich gekämpft und musste einsehen, dass das alles viel zu lange gedauert hat.“

Dafür ging es mit ihm rasant bergauf. Der gelernte Bankkaufmann, der bereits 1980 seine eigene Firma gegründet hatte (Okun-Unternehmensberatung), wurde 1991 mit 80 Prozent Ja-Stimmen zum HFV-Schatzmeister gewählt. Präsident war in diesem Jahr Friedel Gütt geworden, Schiedsrichter-Boss wurde Retzmann. 2005 verließ Volker Okun die Bürgerschaft und stürzte sich fortan immer mehr in die Ehrenämter in Fußball. Er war Mitglied im Präsidium des Norddeutschen Fußball-Verbandes, Rechnungsprüfer beim NFV, Ehrenamtsbeauftragter, Mitglied im Kuratorium der Egidius-Braun-Stiftung im DFB und, und, und. 2015 ernannte ihn der NFV zum Ehrenmitglied.

Für den Hamburger Fußball-Verband erwies sich der Diplom-Kaufmann alsbald als unersetzlich. Über 1000 Ehrungen hat Volker Okun in seiner Karriere vorgenommen, er hat enorm viel Freizeit für den Fußball geopfert. Heute sagt er zu dieser außergewöhnlichen Leistung nur: „Es war mir immer eine Herzensangelegenheit.“ Er war mit Freude und großen Enthusiasmus dabei, oft hat er mehr als 20 Stunden in der Woche mit und beim Fußball verbracht. Er hat viel gegeben, und der Sport hat ihm viel gegeben. Sein Resümee: „Man kann etwas bewegen, wenn man sich einsetzt.“ Und: „Man gewinnt in Sachen Persönlichkeit, wenn man Ehrenamtler ist.“

Jetzt geht der dienstälteste Verbands-Schatzmeister nach 26 Jahren von Bord. Über seinen Verbands-Job verrät Volker Okun: „Man muss als Schatzmeister alles wissen, bevor es andere wissen.“ Und er weiß auch: „Man muss in diesem Amt unbestechlich sein, dazu verschwiegen. Und man sollte eine hohe soziale Kompetenz haben.“

Er hat sich daran stets gehalten und kann darüber sagen: „Es gab nie Probleme mit dem Präsidium. Und jetzt gehe ich guten Gewissens, denn ich hinterlasse ein wohl bestelltes Haus. Der Verband ist für die nächsten Jahre gut aufgestellt – und ich wünsche allen, die dafür arbeiten, weiterhin viel Glück. Wir hatten stets ein gutes Miteinander, es herrschte zwischen ehrenamtlichen Mitarbeitern und den Hauptamtlichen immer ein gutes Klima, und nur so kann es auch funktionieren.“ Volker Okun ergänzt noch: „Für mich ist es wichtig, dass die letzte Entscheidung immer die ordnende Hand des Ehrenamtes haben muss.“

Und noch etwas besitzt für ihn enorme Wichtigkeit: seine Frau Marion. Der Vater zweier Söhne, Christian (37, Bankprokurist) und Michael (35, Creative-Director), bekommt leuchtende Augen, wenn er von seiner Gattin spricht: „Sie war immer eine begeisterte Fußballerin, hat mich früh zu allen Spielen begleitet, wenn ich als Schiedsrichter unterwegs war. Ihr habe ich so unendlich viel zu verdanken, sie hat mir immer den Rücken freigehalten, ohne sie hätte ich das alles nicht geschafft. Sie ist einmalig.“

Nun übernimmt Sohn Christian von ihm das Amt des HFV-Schatzmeisters. Der Herr Papa sagt: „Es macht mich schon stolz, dass er mein Nachfolger wird.“ Volker Okun aber orientiert sich auch an einem alten Schlager von Trude Herr: „Niemals geht man so ganz.“ Er legt zwar seine Ämter nieder, aber mit Präsident Dirk Fischer hat er eine Stand-by-Vereinbarung getroffen: „Ich bleibe dem HFV verbunden, ich werde dem Präsidium weiter zuarbeiten, werde bei ‚Dankeschön-Veranstaltungen‘ einspringen, werde noch bei einigen Ehrungsaktionen zu finden sein.“

So hundertprozentig und von hier und jetzt kann er eben noch nicht loslassen. Und ein bisschen Hase und Igel wird in Volker Okun auch immer zu finden sein. Zum Wohle des Hamburger Fußballs, für den er sich stets vorbildlich eingesetzt hat.

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